Verletzungen sind etwas vom Mühsamsten, womit sich Sportlerinnen und Sportler auseinandersetzen müssen. Ganz gleich, welcher Art – sie bedeuten oft das abrupte Ende einer Saison, einer Leidenschaft (bei Amateuren) oder sogar einer Karriere (bei Profis). Verletzungen vorzubeugen und sie frühzeitig zu erkennen, ist daher ein zentrales Ziel. In diesem Blogartikel schauen wir uns die wichtigsten Aspekte dazu an.
Artikel erschienen in der TrimaX-Magazine Ausgabe Januar–Februar 203
Von J.B Wiroth, PhD in Sportwissenschaften und Gründer des WTS Coaching Netzwerks (www.wts.fr)
Dieser Artikel stammt aus dem Trimax Magazine, einem der führenden Triathlon-Magazine. Jeden Monat findest du dort kostenlose Artikel, Athletenporträts, Wettkampftipps, Ausrüstungsratgeber und vieles mehr rund um Triathlon, Radfahren, Laufen, Duathlon und Swimrun. Hier klicken für mehr Infos.
Ursprung einer Verletzung
Vorausschauendes Handeln ist kein natürlicher Reflex des Menschen. Und doch lassen sich damit viele Probleme vermeiden! Bei Sportverletzungen ist es wichtig, plötzliche Verletzungen nicht mit Überlastungsverletzungen zu verwechseln. Erstere treten unerwartet auf – sei es beim Training oder im Alltag (am Arbeitsplatz, zu Hause etc.). Letztere entstehen schleichend durch eine zu hohe Trainingsbelastung.
Egal wodurch: Eine Verletzung passiert nie zufällig. Immer liegt ein Zustand von Stress zugrunde. Die Verletzung erzwingt dann eine Pause oder Reduktion im Training – und gibt dem Körper die Chance, wieder ins Gleichgewicht (Homöostase) zu finden. Verletzungen sind also ein regulierender Mechanismus: Sie zwingen zur Erholung – körperlich und mental.
Verletzungsarten
1. Sehnenverletzungen (Tendinopathien)
Sehnen- und muskulotendinöse Verletzungen zählen zu den häufigsten Beschwerden. Sehnen übernehmen eine zentrale Aufgabe in der Bewegung: Ohne sie ist keine Gelenkaktion möglich. Sie sind eine der Schlüsselfunktionen jeder sportlichen Bewegung – und wie jede zentrale Struktur stehen sie unter hoher mechanischer Belastung. Wird diese Belastung zu stark oder kommt sie zu plötzlich, gerät die Sehne aus dem Gleichgewicht.
Tendinopathien treten vor allem dann auf, wenn die Trainingsbelastung nicht zum aktuellen Leistungsniveau passt – sei es durch Intensität, Umfang oder fehlende Erholung. Die Sehne reagiert mit einer Entzündung, was wiederum eine Reduktion des Trainings erzwingt.
Ursachen oder Verstärker von Tendinopathien:
- Unpassende oder falsch eingestellte Ausrüstung
- Psychischer Stress
- Flüssigkeitsmangel
- Übersäuernde und/oder entzündungsfördernde Ernährung
Typische Tendinopathien bei Triathlet:innen:
- Schultersehnenentzündung (häufig beim Schwimmen)
- Patellasehnenentzündung (unterhalb der Kniescheibe, oft vom Radfahren)
- ITBS – Reizung des Tractus iliotibialis (aussen am Knie, meist beim Laufen)
- Achillessehnenentzündung (häufig beim Laufen)
Das Kniegelenk ist somit besonders verletzungsanfällig – da es in allen drei Disziplinen stark beansprucht wird.
2. Muskelverletzungen
Muskelverletzungen entstehen durch einen teilweisen oder vollständigen Riss von Muskelfasern. Die Ursachen ähneln denen von Tendinopathien: zu intensives Training, fehlende langsame Steigerung oder ungeeignete Ausrüstung.
Allerdings treten Muskelverletzungen fast immer bei einer plötzlichen, sehr kraftvollen Bewegung auf – also in einem Moment, in dem der Muskel nicht ausreichend vorbereitet ist. Ein Klassiker: das spontane Fussballspiel, obwohl du seit zehn Jahren keinen Ball mehr berührt hast. Die Folgen können sofort spürbar sein – selbst wenn du topfit bist!
Drei Stufen der Muskelverletzung:
- Verhärtung: anhaltender Muskelkrampf
- Faserriss: teilweiser Riss der Muskelfasern
- Ruptur: kompletter Muskelfaserriss
3. Knochenverletzungen
Knochenverletzungen entstehen meist durch einen Aufprall – typischerweise nach einem Sturz beim Radfahren oder Laufen.
Es gibt jedoch zwei besondere Fälle:
- Periostitis: eine akute Entzündung der Knochenhaut (Periost). Besonders häufig betroffen: das Schienbein von Läuferinnen und Triathleten.
- Abrissfraktur: dabei reißt eine Sehne oder ein Band ein kleines Knochenstück an der Ansatzstelle heraus.
Beide Verletzungen entstehen in der Regel durch zu hohe oder andauernde Trainingsbelastung.
Wie lassen sich Verletzungen vermeiden?
Die Off-Season eignet sich ideal, um Schwächen aufzudecken und gezielt an ihnen zu arbeiten. Wenn du oft verletzt bist oder dich bei steigender Trainingsbelastung unsicher fühlst, nutze die ruhigere Zeit für einen medizinischen Check-up: Sportärztin, Physio, Osteopathin – bau deine Basis systematisch auf.
80% der Verletzungen lassen sich durch folgende Punkte vermeiden:
1. Aufwärmen
Ein Warm-up ist vor jeder Trainingseinheit Pflicht – besonders bei kalten Temperaturen (ein klarer Risikofaktor für Tendinopathien). Damit Muskeln und Sehnen optimal arbeiten können, muss sich deine Körperkerntemperatur deutlich erhöhen.
- Schwimmen: Starte mit 5 bis 10 Minuten Gelenkmobilisation, gefolgt von Dryland-Aktivierungen wie Kniebeugen, Ausfallschritten, Liegestützen oder Dips.
- Radfahren: Fahre dich 15 Minuten locker ein – in einem leichten Gang, mit einer Trittfrequenz über 90 U/min. Vermeide hohe Gangkraft und setze stattdessen auf Kadenz: bergauf über 70, auf flachem Terrain über 90 U/min.
- Laufen: Beginne mit 5–10 Minuten Gelenkmobilisation. Versuche dann, den Aufprall beim Laufen zu verringern – z. B. durch ein sanftes Abrollen über den Fuss oder leichtes Vorfusslaufen, wenn möglich.
2. Flüssigkeit und Ernährung
Sehnen sind faserige Strukturen und besonders empfindlich gegenüber Flüssigkeitsmangel. Deshalb ist es wichtig, über den Tag verteilt regelmässig in kleinen Mengen zu trinken – so beugst du einer Tendinitis effektiv vor. Wie viel Wasser du brauchst, hängt von deinem Aktivitätsniveau und der Umgebungstemperatur ab, liegt aber in der Regel zwischen 1,5 und 3 Litern pro Tag. Eine einfache Faustregel: Dein Urin sollte von morgens bis abends klar bleiben.
Wenn du zu Sehnenproblemen neigst, solltest du säurebildende Lebensmittel möglichst reduzieren, zum Beispiel:
- Alkohol
- Kaffee oder Schwarztee
- Rotes Fleisch
- Kuhmilchprodukte
- Limonaden und Süssigkeiten
Bevorzuge basenbildende Lebensmittel:
- Frisches Gemüse und Früchte
- Omega-3-reiche Fette (Makrele, Sardinen, Lachs, Rapsöl, Walnussöl)
3. Zahngesundheit
Schlechte Zahngesundheit – etwa Karies oder andere Entzündungen – kann eine stille, aber dauerhafte Entzündungsquelle im Körper sein. Ein jährlicher Zahnarztbesuch ist Pflicht.
Dreimal täglich Zähneputzen wirkt sehr effektiv. Auch mit zuckerhaltigen Sportgetränken solltest du sparsam umgehen: Sie sind nicht bei jeder Einheit nötig. Heb sie dir für lange oder sehr intensive Trainings auf – deine Zähne werden es dir danken.
4. Ausrüstung
Im Triathlon hat die Ausrüstung einen grossen Einfluss auf sogenannte Technopathien – also Beschwerden, die direkt durch Material oder Einstellungen verursacht werden.
Schwimmen: Vorsicht mit Paddles. Wärm dich vorher gut auf und steigere Grösse und Einsatzdauer der Paddles langsam – besonders, wenn du noch nicht lange schwimmst.
Auf dem Rad ist die Sitzposition entscheidend. Am besten lässt du sie von einem Bikefitting-Spezialisten überprüfen. Ein professionelles Bikefitting wird zu Beginn jeder Saison empfohlen – oder spätestens dann, wenn du das Rad wechselst.
Beim Laufen lohnt es sich, die Schuhe mit professioneller Beratung sorgfältig auszuwählen. Teste verschiedene Modelle – und wenn sie sich nicht gut anfühlen, wechsle die Marke oder das Modell. Wenn du verletzungsanfällig bist, nutze mehrere Paar Laufschuhe und rotiere sie zwischen den Einheiten.
5. Körperhaltung
Bei einem Haltungsungleichgewicht stehen Muskelketten unter ungleichmässiger Spannung. Trainierst du dauerhaft mit dieser Schieflage, kann das zu Überlastungen führen – und schliesslich Sehnenbeschwerden auslösen.
Der Auslöser („Eintrittspunkt“) kann ganz unterschiedlich sein: eine alte, auffällige Narbe, eine Asymmetrie im Kiefer oder in den Augen, oder Probleme mit der Fussstellung.
Um solche Ungleichgewichte gezielt zu korrigieren, solltest du eine:n Posturolog:in aufsuchen und einen individuellen Haltungsplan erstellen lassen.
6. Training
Die allgemeine Athletik (GPP – General Physical Preparation) wird heute von nahezu allen Strength-&-Conditioning-Coaches empfohlen. Sie sollte das ganze Jahr über ein fester Bestandteil des Trainings sein – mit wechselnder Intensität je nach Trainingsphase.
Beispiele:
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Rumpfstabilität stärken (z. B. Planks und Variationen) – bringt in allen drei Disziplinen grosse Vorteile, besonders zur Vorbeugung von Rückenschmerzen.
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Im Schwimmen: Fokus auf die Aussenrotatoren der Schulter (infraspinatus und teres minor) mit Widerstandsbändern – deine Schultern werden es dir danken.
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Im Laufen: Kraft- und Gleichgewichtstraining für die Beine, um die Stabilität zu verbessern (Stability Training).
Zusätzlich lohnt es sich, ein- bis zweimal pro Woche Pilates oder Yoga in den Trainingsplan aufzunehmen. Diese Trainingsformen verbessern Rumpfstabilität, Beweglichkeit, Gleichgewicht und Atmung – alles Aspekte, die bei vielen Triathlet:innen zu kurz kommen, aber entscheidend für Verletzungsfreiheit sind.
Was tun bei einer Verletzung?
Ob Sehne, Muskel oder Knochen – am Anfang jeder Verletzung steht fast immer die Notwendigkeit, die Trainingsbelastung zu reduzieren.
Schritt 1: Beende jede Aktivität, die Schmerzen verursacht. Dein Körper ist gut gebaut – akuter Schmerz ist das klarste Warnsignal, das etwas nicht stimmt. Leichtes Training ist möglich, solange es schmerzfrei bleibt. Aber ganz wichtig: Niemals mit Schmerzen trainieren!
Schritt 2: Kälte kann helfen, Schmerzen und Entzündungen zu lindern.
Schritt 3: Konsultiere Fachpersonen – idealerweise in folgender Reihenfolge:
- Sportärztin für eine gründliche Untersuchung und eine klare Diagnose
- Weitere Untersuchungen (Röntgen, Ultraschall, MRI), falls nötig
- Osteopath nach Stürzen – zur «Neujustierung»
- Physiotherapie, falls verordnet
Vorsicht bei Selbstmedikation! Schmerzmittel oder Entzündungshemmer können die Symptome überdecken, ohne die Ursache zu beheben. Sie sollten nur unter ärztlicher Anleitung eingenommen werden.