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Leistungsmesser: Warum und wie du ihn im Training nutzen solltest

Gezieltes Training ist essenziell geworden, um auf dem Fahrrad Fortschritte zu machen. Leistungsmesser haben das Radtraining revolutioniert, weil sie ermöglichen, die tatsächlich erbrachte Leistung direkt an den Pedalen, der Kurbel oder der Hinterradnabe zu messen. Diese objektiven Wattwerte sind Gold wert – für Trainingsplanung, Leistungsdiagnostik … und für die Athletinnen und Athleten selbst. Zeit, das volle Potenzial daraus zu nutzen.

Artikel erschienen im TrimaX-magazine Nr. 164
Von J.B. Wiroth, Doktor der Sportwissenschaften

 

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Was ist Leistung im Radsport?

In der Physik bezeichnet Leistung die Energiemenge, die pro Zeiteinheit aufgebracht oder verbraucht wird. Oder anders gesagt: Sie misst, wie schnell ein System Energie erzeugt oder nutzt.

Im Radsport wird Leistung in Watt (W) angegeben – benannt nach dem schottischen Ingenieur James Watt. Leistung ergibt sich immer aus dem Produkt von Kraft (bzw. Anstrengung) und Geschwindigkeit.

Zum Beispiel:

  • Kraft × lineare Geschwindigkeit
  • Drehmoment × Winkelgeschwindigkeit

Wie wird die Leistung auf dem Fahrrad gemessen?

Im Radsport ist die mechanische Leistung – vereinfacht gesagt – das Produkt aus dem auf die Pedale wirkenden Drehmoment und der Trittfrequenz. Je kräftiger du trittst und je schneller du pedalierst, desto mehr Leistung erzeugst du.

Drehmoment (Nm) = angewandte Kraft × Kurbelarmlänge

Um diesen Wert zu erfassen, messen Leistungsmesser sowohl die aufgebrachte Kraft (z. B. an den Pedalen, der Kurbel oder der Hinterradnabe) als auch die Rotationsgeschwindigkeit der Kurbelarme.

Was beeinflusst deine Leistung?

Die Leistung, die du auf dem Fahrrad erzeugen kannst, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Körperbau (Gewicht, Grösse, Muskelmasse)
  • Trainingszustand
  • Physiologische Kapazitäten (VO2max, anaerobe Schwelle usw.)
  • Trettechnik

Absolute vs. relative Leistung

Um Athletinnen und Athleten miteinander zu vergleichen, wird die Leistung häufig ins Verhältnis zum Körpergewicht gesetzt. Das nennt man relative Leistung, gemessen in Watt pro Kilogramm (W/kg).

Ein Beispiel:

  • Triathlet A: 1,80 m – 80 kg – 320 W an der Schwelle
  • Triathlet B: 1,65 m – 60 kg – 240 W an der Schwelle

Beide kommen auf eine relative Leistung von 4 W/kg.
-> Bergauf haben sie daher vergleichbare Voraussetzungen.
-> Auf flachem Terrain ist Triathlet A im Vorteil, denn seine absolute Leistung (320 W) ist höher – und bei hohem Tempo spielt der Luftwiderstand eine grössere Rolle als das Körpergewicht.

Leistungsmesser: Ein eingebautes Labor

1987 entwickelte der deutsche Ingenieur Ulrich Schoberer den ersten kommerziellen Leistungsmesser: den SRM. Eine echte Revolution im Radsport. Seither sind viele weitere Systeme auf den Markt gekommen – darunter Polar, Powertap, iBike, Quarq und andere.

Mit diesen Geräten lassen sich heute während der Belastung grosse Mengen an Daten präzise erfassen und auswerten. Ein moderner Leistungsmesser kann dabei bis zu sechs zentrale Parameter anzeigen:

  • Leistung (Watt)
  • Trittfrequenz (Kadenz)
  • Drehmoment
  • Geschwindigkeit
  • Herzfrequenz
  • Höhe (Altitude)

Leistungsorientierte Richtwerte für Anstiege

Bei längeren Anstiegen lässt sich anhand der relativen Leistung (W/kg) eine grobe Orientierung schaffen:

4 bis 4,5 W/kg: Das Feld bleibt grösstenteils zusammen
5 bis 5,5 W/kg: Erste Selektion – das Feld beginnt sich zu ziehen
5,5 bis 5,7 W/kg: Nur die stärksten Fahrer können das Tempo halten
5,7 bis 6 W/kg: Die Besten setzen sich ab und übernehmen die Spitze

Solche Werte werden häufig genutzt, um die Kletterleistung von Top-Athleten einzuordnen – sie zeigen eindrücklich, wie sehr die Wattzahl die Dynamik eines Rennens beeinflusst.

In der Ebene: eine andere Logik

Auf flachem Terrain spielt nicht mehr das Gewicht die Hauptrolle, sondern der Luftwiderstand. Entscheidend ist hier die absolute Leistung in Watt – oder noch präziser: die Leistung im Verhältnis zur Stirnfläche (W/m²).

Heisst konkret: Bei gleicher Leistung fährt der schneller, der aerodynamischer ist. Deshalb investieren Zeitfahrer und Triathletinnen so viel in ihre Sitzposition, das Material und die passende Ausrüstung.

Das Leistungsprofil: Entwicklung sichtbar machen

Das Leistungsprofil zeigt, wie viel maximale Leistung eine Athletin über vordefinierte Belastungsdauern abrufen kann – z. B. 5 s, 10 s, 30 s … bis hin zu 1 Stunde. Damit lässt sich die Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit über die Zeit hinweg gut beurteilen.

Die Tabelle unten vergleicht zwei Leistungsprofile – eines zu Saisonbeginn und eines zur Saisonmitte. Besonders deutlich ist der Fortschritt bei Belastungen zwischen 1 und 2 Minuten sowie zwischen 20 und 30 Minuten.

Die grafische Darstellung macht diese Entwicklung gut sichtbar – vor allem im Hinblick auf die maximale aerobe Leistung (PMA) und die funktionelle Schwellenleistung (FTP).

Zeit 20/03/10 20/07/10 Verbesserung
5 sek 850 W 882 W + 3,8%
30 sek 625 W 638 W + 2,1%
1 min 345 W 375 W + 8,7%
2 min 324 W 355 W + 9,6%
3 min 308 W 325 W + 5,5%
4 min 296 W 300 W + 1,4%
5 min 288 W 290 W + 0,7%
10 min 280 W 295 W + 5,4%
20 min 273 W 305 W + 11,7%
30 min 267 W 296 W + 10,9%
1 h 222 W 233 W + 5,0%

Das Ziel dieses Triathleten ist es also, sein Leistungsprofil gezielt nach oben zu verschieben – mit einem Training, das auf die Anforderungen seiner geplanten Wettkämpfe abgestimmt ist.

Ein weiterer Vorteil des Leistungsprofils: Es zeigt, wo man im Vergleich zu Referenzwerten steht.

Zum Beispiel:
Um einen Triathlon zu gewinnen, muss man rund 6 W/kg über 3 Minuten leisten können – das entspricht 420 Watt bei 70 kg Körpergewicht.
Für ein solides Finish bei einem Ironman sollten es mindestens 4 W/kg über 3 Minuten sein – also 280 Watt für 70 kg.

 

Wie erstellt man ein Leistungsprofil?

Um ein aussagekräftiges Leistungsprofil zu erstellen, brauchst du einen Leistungsmesser am Fahrrad. Danach führst du maximale Belastungen über verschiedene Zeitspannen durch: 5 s, 10 s, 30 s, 1 min, 4 min, 10 min, 30 min und 1 Stunde.

Diese Belastungen solltest du entweder am Berg oder auf flachem Terrain fahren – je nachdem, welche Art von Wettkämpfen du vorbereitest. Grundsätzlich gilt: Die gemessene Leistung ist am Berg etwa 10 % höher als auf der Ebene.

Wichtig: Solche Tests solltest du nur durchführen, wenn du körperlich wirklich bereit bist. Ein medizinischer Belastungstest vorab ist dringend zu empfehlen.

Empfohlenes Protokoll zur Erstellung des Leistungsprofils:

Tag 1
– 45 Minuten progressives Einfahren
– 3 Sprints à 12 Sekunden mit je 3 Minuten aktiver Erholung
– Danach 2 maximale Belastungen à 1 Minute, mit 5 Minuten aktiver Erholung dazwischen
– Abschluss: 10 Minuten im „Chrono“-Modus (volle Belastung über die gesamte Zeit)

Tag 2
– Ruhetag oder 1 Stunde aktive Regeneration

Tag 3
– 45 Minuten progressives Einfahren
– 2 Belastungen à 30 Sekunden mit 4 Minuten aktiver Erholung
– Danach 2 maximale Belastungen à 4 Minuten, jeweils getrennt durch 5 Minuten Erholung

Tag 4
– Ruhetag oder 1 Stunde aktive Regeneration

Tag 5
– 45 Minuten progressives Einfahren
– 20 Minuten im „Chrono“-Modus (konstanter Maximalleistungstest)

Nach jeder Einheit sollten die gesammelten Daten auf den Computer übertragen und mit einer Software wie PowerAgent, Polar Precision Performance oder CyclingPeaks analysiert werden.

EXPERTEINSCHÄTZUNG

„Ich habe keinen Leistungsmesser – kann ich mein Leistungsprofil auch über die Herzfrequenzdaten erstellen?“

„Nein, das ist leider nicht möglich … Die Herzfrequenz spiegelt nur indirekt die muskuläre Belastung wider – vor allem bei kurzen und intensiven Anstrengungen.

Für Sprints (Belastungen von 5 bis 30 Sekunden) liefert die Herzfrequenz keine brauchbare Aussage zur Intensität.

Im Gegensatz dazu misst ein Leistungsmesser direkt die tatsächliche muskuläre Leistung, unabhängig von der Dauer der Belastung.

Die Herzfrequenz ist ein gutes Steuerungsinstrument für Einsteiger oder in der Wiedereinstiegsphase, stösst bei trainierten Sportler*innen aber an ihre Grenzen.

Trotzdem bleibt sie auch bei Fortgeschrittenen interessant – etwa um die kardiale Anpassung durch das Training oder den metabolischen Impact von Ausdauerbelastungen zu beurteilen.“