Nüchterntraining wird im Ausdauersport häufig als Wundermittel zum Abnehmen und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit propagiert. Doch das Trainieren mit leerem Magen kann seine Wirkung nur entfalten, wenn man es richtig angeht. Vor allem muss man seinen optimalen Intensitätsbereich kennen. Viele Sportler*innen trainieren nämlich zu intensiv. Um Fettpolster zu verlieren, taugt die Trainingsmethode zudem nur mässig.
Autor:
Colin Glattfelder, Sport- und Bewegungswissenschaftler und Präventionsberater, Medbase Checkup Center
Das bedeutet Nüchterntraining
Kaum jemand kommt wohl auf die Idee, unter Alkohol- oder Drogeneinfluss Sport zu treiben. Mit Nüchterntraining ist nicht gemeint, dass man einen klaren Kopf hat, sondern dass der Kohlenhydratspeicher – einer unserer Hauptenergiespeicher – nahezu oder ganz leer ist. Dies ist der Fall, wenn man mehrere Stunden nichts gegessen hat oder morgens vor dem Frühstück mit dem Training beginnt. In diesem Zustand kann der Körper nur auf wenig schnell verfügbare Energie, in Form von Zucker, zurückgreifen. Deshalb versucht er, vermehrt Energie über die Fettreserven verfügbar zu machen – unser zweiter grosser Energiespeicher. Genau dies ist der erwünschte Effekt des Nüchterntrainings.
Nur bedingt geeignet zum Abnehmen
Obwohl beim Nüchterntraining die Fettpolster angezapft werden, verliert man nicht unbedingt Gewicht. Denn dafür muss man unter dem Strich eine negative Energiebilanz aufweisen, also mehr Kalorien verbrauchen als zu sich nehmen. Damit der Fettstoffwechsel in Gang kommt (auch Fettoxidation, Fettfluss oder Lipolyse genannt), ist aber ein Training in moderater oder tiefer Intensität nötig.
In dieser Zone ist genügend Sauerstoff vorhanden, um einen Anstieg des Laktats (ein Nebenprodukt aus der Energiegewinnung) zu vermeiden. So befindet man sich im aeroben Bereich. Wenn die Sauerstoffkapazität ans Limit kommt, beginnt der anaerobe Bereich. Beim Nüchterntraining verbraucht man also in der gleichen Zeitspanne weniger Energie als bei höherer Intensität. Deshalb muss man mehr Zeit investieren, um gleich viele Kalorien zu verbrennen.
Das nützt Nüchterntraining
Wenn man regelmässig nüchtern trainiert, kann der Körper erwiesenermassen schneller auf den Fettstoffwechsel zugreifen und effizienter Energie bereitstellen, weil mehr Mitochondrien gebildet werden (die Energiefabriken in den Zellen). Gemäss Studien funktioniert das bei 90 Prozent aller Menschen. Für Wettkämpfe im Ausdauersport ist diese Ausgangslage natürlich ein Vorteil. Bei Profisportlern trägt das Nüchterntraining sogar dazu bei, die Fähigkeit zur Nutzung von Fett als Energieträger zu verbessern und ist indirekt ein wertvolles Instrument zur Steigerung der Ausdauer und zur Verbesserung der Leistung über lange Strecken.
So findet man die optimale Trainingsintensität heraus
Der Fettstoffwechsel erreicht sein Optimum bei etwa 65 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit. Diese richtet sich nach der körperlichen Fitness und den genetischen Voraussetzungen. Um seinen persönlichen Bereich zu erfahren, eignen sich Leistungsdiagnostiken, wie sie Medbase in seinen Sports Medical Centern anbietet. Eine Spiroergometrie zum Beispiel misst die Sauerstoffaufnahme und die Kohlendioxidabgabe. Dies erlaubt Rückschlusse auf die Anteile von Fetten und Kohlenhydraten, aus denen die Energie beim Training bezogen wird.
Noch einfacher ist die Methode der Pulsmessung: Wenn der Herzschlag 65 bis 75 Prozent der maximalen Frequenz beträgt, befindet man sich in der Regel in einem Bereich, in dem anteilmässig viel Fett verstoffwechselt wird. Man sollte dabei das Gefühl haben, energiemässig mindestens eine Stunde durchhalten und noch immer in ganzen Sätzen sprechen zu können.
Wenn man mit zu hoher Intensität trainiert
Diesen Intensitätsbereich sollte man nicht überschreiten und auch nicht die Leistungszone Z3 erreichen. Ein Training mit zu hoher Intensität erfordert zwangsläufig Zucker als Energielieferant. Wenn es der Körper nicht schafft, die benötigte Energie über den Fettstoffwechsel bereitzustellen, kommt er in einen Stresszustand. Dann kann es zu einem Abbau des Muskelproteins und anderer Proteinstrukturen kommen – zum Beispiel von Immunkörperchen. Damit besteht erhöhte Infektions- und Verletzungsgefahr. Wenn unser Organismus auf der Suche nach einer schnellen und effektiven Energiequelle ist, ist er gezwungen, diese aus den in den Muskeln enthaltenen Proteinen zu beziehen: Die Folge ist der so genannte Muskelkatabolismus (die Muskeln verbrennen sich selbst, um die körperliche Aktivität fortzusetzen).
Der Zustand hat auch psychische Auswirkungen: Man wird ungeduldig, angespannt und reizbar. Ein häufiges Phänomen danach sind Erschöpfung und Heisshungerattacken. Wenn man dann mehr Kalorien verschlingt, als man verbraucht hat, ist der erhoffte Effekt der Gewichtsabnahme hinfällig. Wir empfehlen, das Nüchterntraining nicht öfter als zweimal pro Woche durchzuführen, da es den Körper unter Stress setzt.
Leistungsdiagnostik bei Medbase
Die Sportwissenschaftler/-innen und Sportärzte/-ärztinnen von Medbase überprüfen Deinen Leistungsstand mit einem Ausdauertest. Darauf aufbauend erklären sie Dir anschaulich und unkompliziert, wie Du das Ergebnis optimal in dein Training einbaust.
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Trinken ist erlaubt
Es sollten aber ungesüsste Getränke sein. Etwas Milch im Kaffee ist kein Problem. Koffein regt den Fettstoffwechsel sogar an.
45 Minuten Laufen, 1h30 Radfahren und 40 Minuten Schwimmen
Beim Laufen wird nach etwa 30 Minuten die meiste Energie durch den Fettstoffwechsel bereitgestellt, und nach 45 Minuten erreicht dieser sein Maximum. Daher sind Trainingseinheiten von mindestens 45 Minuten sinnvoll. Wenn du mehrere Stunden pro Woche trainierst, kannst du das ohne Probleme ein- bis zweimal machen. Bei nur zwei Stunden pro Woche ist der Effekt bei intensiverem Training größer.
Was die Dauer des Radfahrens anbelangt, so empfehlen wir, anfangs 1h30/2h nicht zu überschreiten. Wenn sich der Körper daran gewöhnt hat, kann man bis zu 3 Stunden trainieren (aber in diesem Fall muss man nach 1.30 Stunden etwas essen). Beim Schwimmen empfehlen wir, 40 Minuten Training nicht zu überschreiten.
Auch für Menschen ohne grössere sportliche Ambitionen
Wenn man sich am Morgen fit fühlt, spricht nichts gegen ein Nüchterntraining. Für Untrainierte ist auch schon ein zügiger Spaziergang oder eine lockere Radfahrt bei leicht erhöhtem Puls sinnvoll. Dies steigert die Wirksamkeit des Hormons Insulin, das eine wichtige Rolle im Blutzucker-Stoffwechsel spielt. Studien deuten darauf hin, dass so das Risiko für Diabetes und Übergewicht sinkt. Es ist individuell verschieden, wie wie gut man die Methode verträgt. Manchen Sportler*innen gibt das Nüchterntraining einen Kick, um besser in den Tag zu starten. Andere sind Morgenmuffel oder morgens hungrig. Dann kann es manchmal zu Problemen mit dem Blutzucker und Kreislauf kommen.
Ähnlicher Effekt am Mittag oder Abend
Wenn man mehrere Stunden nichts gegessen hat, erzielt man einen ähnlichen Effekt wie mit dem Training vor dem Frühstück. Beachte jedoch, dass deine Glykogenreserven am Morgen fast genauso groß sind wie am Abend zuvor. Wenn du also beim Abendessen viele Kohlenhydrate zu dir genommen hast, wirst du am nächsten Morgen nicht den gewünschten Effekt haben.
Wer ist Medbase?
Medbase ist das grösste multidisziplinäre sportmedizinische Netzwerk der Schweiz und bietet spezialisierte sportmedizinische Dienstleistungen für Athletinnen und Athleten, Vereine und Sportverbände aller Aktivitätsstufen in den Bereichen Sportmedizin, Sportphysiotherapie, Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung.