Die Sitzposition auf dem Fahrrad ist weit mehr als nur eine Komfortfrage. Im Triathlon beeinflusst sie nicht nur deine Leistung auf dem Rad, sondern auch, wie gut du in den Lauf übergehst. Egal ob du Aerodynamik verbessern, Verletzungen vermeiden oder einfach das Maximum aus jedem Pedaltritt herausholen willst – es ist entscheidend, die Grundlagen der Positionierung auf dem Velo zu verstehen. In diesem Artikel gehen wir die Schlüsselelemente eines guten Bike Fittings durch – von Cleats bis Sattel, inklusive Sattelhöhe, Setback, Reach und Stack, mit besonderem Fokus auf die Anforderungen im Triathlon.
Artikel erschienen in Trimax-Magazin – August 2019, verfasst von Simon Billeau.
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Warum die Sitzposition im Triathlon entscheidend ist
Die Optimierung der Aerodynamik ist ein zentrales Thema für Hersteller von Renn- und Triathlonvelos. Dieser Leistungsfaktor betrifft im Triathlon das gesamte System aus Fahrer:in und Rad. Auch wenn sich die Aerodynamik eines Velos mit hochwertigen Laufrädern, Aero-Suits, Helmen, Lenkern und anderen Komponenten verbessern lässt, verursacht die fahrende Person den grössten Teil des Luftwiderstands.
Deine Position auf dem Rad ist deshalb aus zwei Hauptgründen zentral: Aerodynamik und Komfort. In Multisportarten beeinflusst sie ausserdem deine Laufleistung nach dem Radfahren. Deshalb lohnt es sich, sich bei der Positionierung auf Expert*innen zu verlassen – idealerweise mit Triathlon-Erfahrung.
Die Basis für ein Rad, das zu deinem Körper passt
Zuerst ist es wichtig zu verstehen, welche Parameter beim Velokauf eine Rolle spielen – abgestimmt auf deine Körpermorphologie. Gleichzeitig zeigen wir, warum eine triathlonspezifische Position sinnvoll ist. Am Schluss gibt’s noch Tipps zur passenden Rahmenwahl.
KOORDINATEN BESTIMMEN
Ein professionelles Bike Fitting sollte dir präzise Koordinaten (X und Y) liefern – nicht nur Gelenkwinkel.
- Sattelhöhe
- Sattel-Setback
- Distanz vom Tretlager zum Steuerrohr (Reach)
- Höhe des Lenkers über dem Tretlager (Stack)
Cleat-Positionierung: oft unterschätzter Performance-Faktor
Es gibt drei Kontaktpunkte zwischen Körper und Velo: Hände, Hüfte und Füsse. Und die Cleats verbinden deine Füsse mit den Pedalen.
Früher richtete sich die Cleat-Position nach der Linie zwischen Mittelfussknochen und Grosszehengrundgelenk. Diese Methode stammt aus der Laufbiomechanik, bei der die höchste Kraft entsteht, wenn der Körperschwerpunkt über diesen Punkt wandert.
Doch Laufen und Velofahren unterscheiden sich grundlegend: Muskelkontraktionen (konzentrisch vs. plyometrisch) und Bewegungsketten (geschlossen vs. offen) sind nicht vergleichbar. Auch das Schuhwerk ist ganz anders: flexibel beim Laufen, steif beim Radfahren. Biomechanisch lassen sich die Sportarten nicht übertragen.
Heute setzen Fitting-Profis die Cleats weiter hinten, wenn konstante Leistung gefragt ist – und eher vorne für intervallartige Belastungen.
Warum?
a) Je weiter vorne die Cleats sitzen, desto stärker werden die Wadenmuskeln zur Stabilisierung des Fusses aktiviert – wegen des Hebeleffekts. Diese Muskelaktivität trägt jedoch kaum zur Fortbewegung bei – ausser beim Sprinten. Mit zunehmender Ermüdung sinkt oft die Ferse ab, was ein Zeichen dafür ist, dass die Waden nicht mehr aktiv arbeiten. Da Wadenmuskeln hauptsächlich aus schnellzuckenden Fasern bestehen, verbrauchen sie viel Energie. Ihre Belastung zu minimieren kann somit die Ausdauerleistung verbessern.
Umgekehrt reduziert eine weiter hinten positionierte Cleat-Einstellung die Beanspruchung der Waden, spart Energie und verbessert die Stabilität – allerdings auf Kosten der Sprintkraft.
b) Eine nach vorne verlegte Cleat-Position kann langfristig zu Asymmetrien führen. Ist eine Wade stärker als die andere, kann das Becken kippen und Knieprobleme verursachen. Deshalb ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden – angepasst an die individuelle Morphologie und Renndistanz, ob kurz oder lang, Anfänger:in oder Elite.
Zusammengefasst: Vorne positionierte Cleats fördern schnelle Beschleunigung, verringern aber die Stabilität. Hinten positionierte Cleats erhöhen die Stabilität und reduzieren Ermüdung, schränken aber die Sprintfähigkeit ein. Kurzdistanz-Triathlet*innen bevorzugen meist eine vordere Cleat-Position, während Langdistanz-Athlet*innen von einer hinteren Einstellung profitieren können.
Cleats noch weiter zurücksetzen?
Das wirft eine naheliegende Frage für Langdistanz-Triathleten auf: Warum die Cleats nicht noch weiter nach hinten versetzen – also über den Bereich hinaus, den herkömmliche Schuhe ermöglichen – um die Wadenmuskulatur komplett zu entlasten?
Gotz Heine und seine Firma bio-mxc² haben dafür einen Radschuh entwickelt, bei dem die Cleats mittig auf der Sohle montiert sind. Die biomechanischen Auswirkungen dieser Position sind vielversprechend – insbesondere für Langdistanz-Triathleten: Die Waden werden geschont, während stärkere Muskelgruppen wie die hinteren Oberschenkel, der Quadrizeps und das Gesäss den Vortrieb übernehmen.
Ein weiterer Vorteil dieser Cleat-Position: Sie ermöglicht es, die Sattelhöhe um 30 bis 40 mm zu senken. Das führt zu einem tieferen Schwerpunkt, einer kleineren Stirnfläche und zu mehr Stabilität bei Abfahrten.
Zusätzlich zeigte eine im Januar 2013 im Journal of Sports Sciences veröffentlichte Studie von Viker und Richardson, dass eine zurückversetzte Cleat-Position – im Vergleich zur traditionellen – die Laufgeschwindigkeit im ersten Kilometer eines Sprinttriathlons verbessern kann.
Sattelhöhe und Setback: zwei zentrale Einstellungen
Schauen wir uns nun die Sattelhöhe an – ein zentrales Mass, das direkten Einfluss auf Komfort und Verletzungsprävention hat, insbesondere im Bereich der Knie. Die Sattelhöhe wird vom Zentrum des Tretlagers bis zur Oberkante des Sattels gemessen (in der Regel an der Mittelachse der Sattellänge).
Ein Literaturreview ergab, dass ein Kniewinkel von 155° – bei waagrecht stehendem Kurbelarm, parallel zum Sitzrohr – die obere Grenze darstellt, um Knieproblemen vorzubeugen. Mit einem Goniometer lässt sich dieser Winkel einfach messen und der Sattel entsprechend einstellen.
Es ist zudem sinnvoll, auf eine mögliche Beinlängendifferenz zu achten – sowohl für die Cleat-Position als auch für die Sattelhöhe. Um eine Knieüberstreckung zu vermeiden, sollte das kürzere Bein als Referenz genommen werden.
Als Nächstes kommt der Sattel-Setback. Traditionell wurde dieser mit waagrecht positioniertem Kurbelarm bestimmt: Ein Lot wurde vom Kniescheitelpunkt senkrecht nach unten geführt. Traf es vor der Pedalachse auf, wurde der Sattel nach hinten verschoben. Lag es dahinter, wurde der Sattel nach vorne gerückt. Ziel dieser Methode war es, die Muskelaktivierung zwischen Gesäss, hinterem Oberschenkel und Quadrizeps auszubalancieren.
Heute – bei modernen Sitzrohrwinkeln von 78–82° – ist diese Methode nicht mehr anwendbar. Langdistanz-Triathleten wählen häufig eine weiter vorne liegende Sitzposition. Dadurch wird die Stirnfläche verringert, weil der Rücken flacher wird und die Armauflagen tiefer liegen – gleichzeitig bleiben die Gelenkwinkel an Knie, Hüfte, Schulter und Ellbogen erhalten.
Eine Studie von Silder, Gleason und Thelen aus dem Jahr 2011 im Journal of Applied Biomechanics zeigte, dass eine Erhöhung des Sitzrohrwinkels die Muskelkinematik nicht veränderte, jedoch die Aktivierung des rectus femoris während der Aufwärtsbewegung des Pedaltritts signifikant steigerte. Diese Veränderung in der Muskelkoordination könnte erklären, warum nach dem Fahren auf einem triathlonspezifischen Velo häufig bessere Laufleistungen beobachtet werden – weil Gesäss- und hintere Oberschenkelmuskulatur geschont werden, die beim Laufen eine Schlüsselrolle spielen.
Reach und Stack: zentrale Masse zur Feinabstimmung
Die Konzepte von Reach und Stack helfen dabei, die Position auf dem Rad besser zu verstehen und zu visualisieren. Der Reach ist die horizontale Distanz vom Zentrum des Tretlagers bis zur Oberkante des Steuerrohrs. Der Stack ist die vertikale Distanz von derselben Tretlagerachse bis zu genau diesem Punkt am Steuerrohr.
Diese beiden Messgrössen bieten eine einfache und praxisnahe Möglichkeit, die Position im Cockpit zu beurteilen. Ein höherer Stack steht für eine aufrechtere und komfortablere Sitzposition, während ein längerer Reach eine gestrecktere und aerodynamischere Haltung ermöglicht. Das Verhältnis von Stack zu Reach wird häufig genutzt, um verschiedene Rahmengeometrien miteinander zu vergleichen: Ein hoher Wert deutet auf eine komfortorientierte Geometrie hin, ein niedriger Wert ist typisch für aggressive, leistungsorientierte Rahmen.
Rahmenwahl: der passende Rahmen zur Position
Sobald du deine idealen Masse aus einer professionellen Bike-Fitting-Session erhalten hast, besteht der nächste Schritt darin, einen Rahmen zu finden, der zu deiner Geometrie passt. Die Oberrohrlänge ist dabei der erste Aspekt der Rahmengeometrie, den du berücksichtigen solltest, da sie die Rahmengrösse bestimmt.
Allerdings ist die effektive Oberrohrlänge nicht immer einfach zu bestimmen – vor allem wegen der weit verbreiteten Verwendung von Sloping-Rahmen, also Rahmen mit einem nach hinten abfallenden Oberrohr. Diese Bauweise ist bei modernen Rennvelos üblich, da sie die Steifigkeit erhöht.
Bei einem Sloping-Rahmen solltest du dich an der virtuellen Oberrohrlänge orientieren. Diese misst die horizontale Distanz vom Zentrum des Steuerrohrs bis zur Projektion des Zentrums des Sitzrohrs.
Lenker-Einstellbarkeit: oft vernachlässigt
Die Einstellbarkeit des Cockpits ist ein entscheidender Faktor – insbesondere bei Triathlonvelos. Die meisten Hersteller geben diese Information im Bereich „Geometrie“ an, doch der Vergleich zwischen verschiedenen Marken ist oft schwierig.
Mit dem Trend zu integrierten Lenkern bei High-End-Triathlonrädern ist die Verstellbarkeit oft deutlich eingeschränkt. Deshalb sollte dieser Punkt unbedingt geprüft werden, bevor man sich für ein Velo entscheidet, das mehrere Tausend Franken oder Euro kosten kann. Zum Beispiel bietet das Trek Speed Concept eine grosse Bandbreite an Cockpit-Einstellungen, während das Giant Trinity hier deutlich eingeschränkter ist.
Zum Glück gibt es mittlerweile viele Aftermarket-Anbieter, die modulare Komponenten liefern: Aerobar-Verlängerungen, Pad-Riser, Keile für angewinkelte Armauflagen und mehr – alles mit dem Ziel, die Position individuell anzupassen und den Komfort in aggressiven Setups wie der „Praying Mantis“-Haltung (mit erhöhten, eng zusammengeführten Händen) zu verbessern.
Der Sattel: oft unterschätzter Kontaktpunkt
Der Sattel wird oft erst dann beachtet, wenn es unbequem wird – dabei ist er ein entscheidender Kontaktpunkt für den allgemeinen Fahrkomfort. Im Triathlon solltest du bei der Sattelauswahl vor allem zwei Faktoren berücksichtigen: die Breite der Sattelnase und den Grad der Polsterung.
Die Sattelbreite hängt direkt mit deiner Beckenstruktur zusammen – ein schmaleres Becken erfordert in der Regel einen schmaleren Sattel, und umgekehrt. Was die Polsterung betrifft, ist das eine persönliche Entscheidung zwischen Komfort und Gewicht. Ein Sattel mit sehr wenig Polsterung kann auf langen Strecken schnell unbequem werden, während ein zu stark gepolsterter Sattel die Stabilität und Effizienz beim Pedalieren beeinträchtigen kann.
Wir hoffen, dieser Guide hilft dir, schneller und schmerzfrei zu fahren.