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Sonnenschutz und Outdoor-Sport: 10 Experten-Tipps

Beim Laufen und Radfahren ist man, vor allem im Sommer, oft über längere Zeit der Sonne ausgesetzt. Doch wie schützt man sich am besten vor direkter Sonneneinstrahlung? In einem Interview mit Prof. Dr. Christian Surber hatten wir die Gelegenheit, einige Punkte zum Thema Sonnenschutz und Bewegung zu klären.

Der Basler Christian Surber, Titularprofessor für Dermatopharmakologie und Spitalpharmazie, ist Gastprofessor und wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Dermatologischen Kliniken der Universitätsspitälern Basel und Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind Prävention und Behandlung von Hautkrebs. Er ist Fachexperte für Sonnenschutz der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie.

Welches sind die Schwierigkeiten beim Thema „Sonnenschutz und Sport“?

Sportliche Aktivitäten können einerseits mit langen Sonnenexpositionen verbunden sein (Radfahren, Bergtouren) und andererseits gehen beispielsweise beim Schwimmen und beim Abtrocknen von Schweiss grössere Mengen an Sonnenschutzmittel wieder verloren.  Den Faktoren «Zeit» und «Abrieb» kann man nur mit regelmässigem Nachcremen entgegentreten.  Andere Faktoren wie «Sonnenschutzleistung» oder «Produkttyp» (Creme, Spray etc.) sind ebenfalls wichtige Themen. Obwohl die meisten Menschen beim Thema Sonnenschutz zuerst an die Sonnencreme denken, ist das Tragen von Kleidung und Sonnenbrille das viel effektivere Schutzmittel.  Beim Radfahren, beim Fussball spielen sind Kappen, Ärmlinge und Handschuhe geeignete Schutzmittel, Ähnliches gilt beim Wandern und Bergtouren.

Welcher Lichtschutzfaktor ist am besten geeignet? Welcher Faktor sollte unter welchen Bedingungen verwendet werden?

Für sportliche Aktivitäten im Freien empfehle ich Produkte mit einem Sonnenschutzfaktor (SPF) von 50 und höher (50+).  Neben dem SPF (primäres Leistungsmerkmal für den Schutz im UV-B Bereich) sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass das Produkt auch im UV-A Bereich schützt.  Dies ist erkennbar am UV-A Logo auf der Verpackung – ein Kreis, in dem «UVA» steht.

Wie wird das Produkt richtig angewendet?

Die Sonnenschutzleistung so wie sie auf einem Produkt deklariert wird, basiert auf Laboruntersuchungen an freiwilligen Probanden.  In diesen Tests wird aus experimentellen Gründen die Sonnenschutzleistung mit 2mg Produkt pro cm2 Haut bestimmt.  Im Alltag wird meist die Hälfte oder noch weniger auf die Haut aufgetragen.  Darüber hinaus werden immer wieder wichtige Hautstellen «vergessen».  Ich empfehle deshalb, sich zweimal vor einer Sonnenexposition einzucremen.  Einerseits wird dann die notwendige Menge an Sonnenschutzprodukt auf die Haut aufgetragen, und andererseits werden Hautareale eingecremt, die vielleicht beim ersten Mal vergessen wurden. Oft «vergessene» Stelle sind Ohren und Stirn/Glatze.  Beim Rücken braucht es immer Hilfe durch eine Drittperson!

Gibt es auf dem Markt Cremes, die für den Sport geeignet sind, mit wasser- und schweißfesten Formeln?

Wasser- und Schweissfestigkeit sind Produktmerkmale, die oft beworben werden.  Die Wasserfestigkeit eines Sonnenschutzprodukts wird mit einem normierten Test an freiwilligen Probanden im Labor durchgeführt.  Ist nach zwei 20-minütigen Aufenthalten im Jacuzzi Pool der Sonnenschutzfaktor noch 50% des auf dem Produkt deklarierten SPF-Wertes, erhält das Produkt das Prädikat «wasserfest», nach vier 20-minütigen Aufenthalten das Prädikat «extra wasserfest».  Die Messung der Schweissfestigkeit ist nicht normiert.  Aus meiner Sicht täuscht das Prädikat «wasserfest» oder «extra wasserfest» eine falsche Sicherheit vor.  Der Abrieb von Sonnenschutzmittel während sportlichen Aktivtäten oder nach dem Abtrocknen von Schweiss ist sehr gross.  In Ländern wie USA oder Australien ist es vorgeschrieben, in der Produktbeschreibung das Nachcremen alle zwei Stunden zu empfehlen.  Ich persönlich empfehle das Nachcremen nach jedem Abtrocken.

Ist der Sonnenschutz erst nach einer halben Stunde wirksam?

Häufig wird empfohlen, das Sonnenschutzmittel 20 bis 30 Minuten vor Sonnenexposition auf die Haut aufzutragen.  Fälschlicherweise wird daraus geschlossen, dass das Sonnenschutzmittel erst nach dieser Zeit wirkt. Der Grund für diese Empfehlung ist ein ganz anderer! Die meisten Sonnenschutzmittel enthalten flüchtige Bestandteile wie Wasser und Alkohol. Erst nach dem Verflüchtigen dieser Bestandteile «klebt» das Sonnenschutzmittel auf der Haut.  Dieses Phänomen ist vergleichbar mit dem Auftragen einer Dispersion-Farbe auf eine Wand, die auch erst nach dem Antrocknen «abriebfest» ist. Die Empfehlung, sich 20-30 Minuten vor der Exposition einzucremen, ist also von praktischer Relevanz und durchaus zu empfehlen.

Kann ich aufhören, Sonnenschutzmittel zu verwenden, sobald ich braun geworden bin?

Das «Braunwerden» ist in der Tat ein Schutzmechanismus der Haut gegen UV-Strahlung.  Die Schutzleistung dieser Braunfärbung ist allerdings sehr gering.  Trotz Braunfärbung sollte man nie aufhören sich mit Sonnenschutzmitteln vor der Sonne zu schützen.  Man sollte bei sportlichen Aktivitäten im Freien immer Produkte mit möglichst hohen Sonnenschutzfaktor (SPF 50+) anwenden.  Von der nach dem «Braunwerden» oft praktizierten Anwendung von Sonnenschutzmitteln mit kleinerem SPF, rate ich dringend ab.

Oft wird befürchtet, dass ein sehr hoher Sonnenschutz die Produktion von Vitamin D in der Haut beeinträchtigen kann. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?

Rein theoretisch könnte man die Körpereigne Vitamin D Produktion durch die Anwendung von Sonnenschutzmitteln drosseln.  Praktisch findet das aber nicht statt.  Sonnenschutzmittel – auch mit sehr hohen Sonnenschutzfaktor – verhindern das Eindringen von UV-Strahlung in die Haut nie komplett.  Dazu empfehle ich den YouTube Film «Sunscreens: SPF50 protects five times better than SPF10».  Sonnenschutzmittel werden kaum je in der erforderlichen Menge aufgetragen (2mg/cm2), die notwendig wäre um den deklarierten Sonnenschutzfaktor zu erreichen.  Darüber hinaus gibt es im Alltag viele Situationen, in denen Haut moderatem Sonnenlicht ausgesetzt ist, in denen Vitamin D produziert wird.  Die Anwendung von Sonnencreme, wie sie heute im Allgemeinen praktiziert wird hat keinen Einfluss auf die Produktion von Vitamin D.  Die Fähigkeit der Haut Vitamin D zu produzieren, nimmt mit dem Alter ab.  Das «fehlende» Vitamin D lässt sich leicht supplementieren (z.B. Vi-De 3® Tropfen).

Wie können Sie feststellen, ob Ihre Haut photodegradiert ist?

Lichtgeschädigte Haut zeigt sich vor allem im Gesicht, Ohren, Glatze, Décolleté, Unterarmen sowie Handrücken durch fleckige Braun- und Weissverfärbungen.  Später werden Zeichen der Hautalterung immer deutlicher. Auch können sich verschiedene Formen von Hautkrebs entwickeln.  Die lichtgeschädigte Haut ist vor dem Spiegel leicht erkennbar, wenn man typisch Sonnen-exponierte Hautstellen mit Stellen vergleicht, die nie/kaum der Sonne ausgesetzt sind.  Eindrücklich kann lichtgeschädigte Haut auch mit einer UV-Kamera sichtbargemacht werden.  Dazu empfehle ich den YouTube Film «How The Sun Sees You».

Sind Nanopartikel in Sonnenschutzmitteln gefährlich?

Sonnenschutzfilter sind in Sonnenschutzprodukten entweder als einzelne Moleküle gelöst oder als Nano- oder Mikropartikel suspendiert.  Nano- oder Mikropartikel sind von ihrer äusseren Abmessung her immer sehr viel grösser als einzelne Moleküle.  Der grösste Teil der sich auf dem Markt befindlichen Sonnenschutzmittel enthält gelöste Filtermoleküle.  Sonnenschutzmittel mit Mikropartikeln weisseln sehr oft und sind deshalb kosmetisch weniger attraktiv.  Das Weisseln «verschwindet», wenn Mikropartikel zu Nanopartikeln zerkleinert werden.  Leider besteht eine verbreitete Angst gegenüber Vielem, das das Wort «nano» enthält.  Im Zusammenhang mit Sonnenschutzmitteln wird oft vermutet und kolportiert, dass die Partikel die Haut durchdringen und im Körper Krankheiten hervorrufen.  Im Gegensatz zu gelösten Filtermolekülen können Sonnenschutzfilter, die als Nano- oder Mikropartikel vorliegen die oberste Schicht unserer Haut (Hornschicht) NICHT durchdringen.  Nano- oder Mikropartikel sind im Gegensatz zu den gelösten Filtermolekülen viel zu gross.  Aus meiner Sicht gehören Sonnenschutzprodukte, die Nano- oder Mikropartikel enthalten, zu den sichersten Produkten.

Gibt es bestimmte Produkte, die Sie nicht empfehlen würden?

Heute steht eine Vielzahl hervorragender Sonnenschutzmittel zur Verfügung.  Das Wichtigste für jede Konsumentin oder Patientin ist das Finden eines Produktes, das von der Haptik her zusagt und das man sich gerne auf die Haut aufträgt.  Das Auftragen von angenehmen Produkten vergisst man weniger!  Von spraybaren Sonnenschutzmitteln rate ich grundsätzlich ab.  Erstens gehen beim Sprayen etwa ein Drittel des Produkts, für das die Konsumentin bezahlt hat, an die Umgebung verloren, zweitens enthalten viele spraybare Produkte sich schnell verflüchtigende Bestandteile und das Produkt bleibt lokal konzentriert und drittens muss man – entgegen der Werbung – auch spraybare Produkte meist von Hand auf der Haut verteilen.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Prof. Dr. Christian Surber für das interessante Gespräch und die aufschlussreichen Fakten!