Häufig hört man von FTP – die drei Buchstaben stehen für Functional Threshold Power. Doch was bedeutet das genau? Wie kann ein FTP-Test durchgeführt werden? Und wie lassen sich die gewonnenen Daten zur Trainingsoptimierung nutzen? In diesem Artikel wird das Konzept des FTP in der Sportphysiologie erklärt, einschließlich einer Anleitung zur Durchführung eines FTP-Tests in den drei Triathlon-Disziplinen sowie Tipps zur optimalen Nutzung der Ergebnisse.
Artikel veröffentlicht in TrimaX-Magazin Nr. 201 – November 2020 Autor: Simon Billeau
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FTP: Definition und Anwendung
FTP beschreibt die maximale Pedalleistung, die eine Radfahrerin oder ein Radfahrer für eine Stunde aufrechterhalten kann. Typischerweise findet FTP hauptsächlich Anwendung im Radsport, lässt sich jedoch auch für das Laufen und Schwimmen nutzen. Angepasste Tests für diese beiden Disziplinen werden weiter unten beschrieben.
Historisch gesehen ist FTP ein relativ junges Konzept. Andrew Coggan und Hunter Allen brachten diesen wissenschaftlichen Ansatz 2006 mit ihrem Buch Training and Racing with a Power Meter zur Geltung. Betrachtet man die Sache objektiv, ist das FTP-Konzept jedoch weder revolutionär noch neu. Zunächst wird ein kurzer historischer Überblick über die Trainingsphysiologie gegeben, da der Zusammenhang zwischen FTP und anaerober Schwelle sehr eng ist.
Studien, Geschwindigkeits-Zeit-Beziehung und Leistungskurve: Die Ursprünge
Im Jahr 1906 erschien der erste Artikel über eine prospektive Studie zu Laufrekorden. Der Autor, Kennelly (ein Elektroingenieur von Harvard), war der Erste, der sich mit der Form der Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Zeit (Leistungskurve) beschäftigte. Später trug der Physiologe und Nobelpreisträger Archibald Vivian Hill (1927), ein Pionier der Bioenergetik des Muskelleistungsstudiums, zu diesem Ansatz bei. Ihm ist die Einführung zahlreicher Konzepte (wie maximaler Sauerstoffverbrauch und Sauerstoffschuld) zu verdanken, die er zur Erklärung der Geschwindigkeits-Zeit-Beziehung im Laufen nutzte, ausgearbeitet anhand von Weltrekorden vom 100 m-Lauf bis zum Marathon.
So lässt sich die Dauer der Belastung, bei der die Geschwindigkeitsverluste minimal sind, ermitteln. Beispielsweise bleibt die Geschwindigkeit beim Verdoppeln der Laufdauer von 10 auf 20 Sekunden bei 36 km/h konstant, und beim Wechsel von 1 auf 2 Stunden sinkt sie nur um 1 km/h. Auf anderen Teilen der Kurve, die Geschwindigkeit und Laufzeit verbindet, zeigen sich jedoch markante Verluste für vergleichsweise kurze Zeiträume, wie vom ersten zur zweiten Minute eines Laufs, in dem die Geschwindigkeit von 33 auf 28 km/h sinkt.
Die Untersuchung dieser Kurve ermöglichte es den frühen Physiologen des 20. Jahrhunderts, Hypothesen und Ähnlichkeiten hinsichtlich der limitierenden Faktoren und der energetischen Anforderungen zu identifizieren, die für diese verschiedenen Geschwindigkeits-Zeit-Kombinationen erforderlich sind, um die Leistung zu bestimmen: Die Zeit, die für eine festgelegte Distanz benötigt wird, wie sie von den Sportverbänden vorgegeben ist. Es ist bemerkenswert, dass sich die Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Dauer der Aufrechterhaltung über das Jahrhundert hinweg nicht verändert hat, wenn man die Gefälle der Kurven vergleicht. Dies bedeutet, dass sich die Entwicklung der Weltrekorde über kurze und lange Distanzen im gesamten Jahrhundert gleichmäßig vollzogen hat – es kann sowohl länger bei 36 km/h als auch bei 20 km/h gelaufen werden.
Anaerobe Schwelle und VO2 Max
Welche energetischen Parameter beeinflussen die Leistung im Langstreckenlauf?
Um die Leistung über längere Distanzen vorherzusagen, sind zwei Hauptfaktoren zu berücksichtigen:
- Metabolische Leistung: Dies beschreibt die Fähigkeit, gespeicherte chemische Energie (aus Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und Kreatinphosphat) in mechanische Energie umzuwandeln, um die Muskeln zu versorgen. Bei Belastungen, die länger als drei Minuten dauern, erfolgt diese Umwandlung durch Sauerstoff. Ein Liter verbrauchter Sauerstoff erzeugt zum Beispiel 21 kJ Energie.
- Energiekosten: Das ist die Menge an Energie, die benötigt wird, um bei einer bestimmten Geschwindigkeit zu laufen. Pietro di Prampero entwickelte eine Gleichung, die den Zusammenhang zwischen metabolischer Leistung (Er), Laufgeschwindigkeit (V) und Energiekosten (Cr) beschreibt:
Er = Cr x V
Jede Person hat eine maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 Max), die 10- bis 25-mal höher sein kann als der Grundumsatz. Ein*e Spitzensportler*in kann einen sehr hohen VO2 Max erreichen (bis zu 88 ml/min/kg).
Leistungsunterschiede: Kraft und Ausdauer
Billat et al. (1994) zeigten, dass die Zeit, in der Sportler den VO2 Max-Wert aufrechterhalten können, zwischen Personen desselben Leistungsniveaus um bis zu 25 % variieren kann, obwohl der Sauerstoffverbrauch nur um etwa 5 % schwankt. Das bedeutet, dass nicht nur die Kraft (VO2 Max) entscheidend ist, sondern auch die Ausdauer. Ausdauer wird durch den Parameter „Faktor F“ gemessen, der anzeigt, wie lange eine Person einen bestimmten Prozentsatz des VO2 Max aufrechterhalten kann.
Wenn die Glykolyse zu schnell verläuft, kann der Körper das NADH (eine an der Energieproduktion beteiligte Verbindung) nicht mehr in NAD umwandeln. Dies führt zu einer Erhöhung der Laktatproduktion, die den pH-Wert in Muskeln und Blut senkt und Ermüdung verursacht.
Laktatschwelle und FTP
Die Geschwindigkeit, bei der der Körper beginnt, Laktat anzusammeln, wird als Laktatschwelle (oder „anaerobe Schwelle“) bezeichnet. Sie liegt zwischen 60 % und 90 % des VO2 Max. Wenn eine Person schneller laufen kann, bevor sie diese Schwelle erreicht, bedeutet dies, dass sie trainiert hat, um weniger schnell zuckende Muskelfasern zu nutzen und die oxidative Kapazität ihrer Muskeln zu erhöhen.
Im Durchschnitt kann eine Person einen Marathon mit einer Geschwindigkeit absolvieren, die 90–95 % der Laktatschwelle oder etwa 80–85 % des VO2 Max entspricht.
Messung der anaeroben Schwelle
Die anaerobe Schwelle wird oft im Labor gemessen, indem während konstanten Belastungen eine Blutprobe entnommen wird, um den Laktatspiegel zu überprüfen. Da dies jedoch für die meisten Sportler*innen unpraktisch ist, wurde Anfang des 21. Jahrhunderts das Konzept des FTP (Functional Threshold Power) als einfachere Methode zur Abschätzung der anaeroben Schwelle eingeführt.
Maximaler Sauerstoffverbrauch kann nur für einen begrenzten Zeitraum (zwischen 4 und 10 Minuten) aufrechterhalten werden, da der Laktatspiegel ansteigt. Dieser Laktatanstieg führt schnell zu Muskelermüdung, was es unmöglich macht, die Intensität aufrechtzuerhalten. FTP basiert auf einem einstündigen Test, der die maximale Zeit annähernd beschreibt, in der eine Person ihre anaerobe Schwelle halten kann.
FTP-Test im Radsport
Zur Durchführung eines FTP-Tests im Radsport wird ein Fahrrad mit einem Leistungsmesser benötigt. Zusätzlich wird ein Fahrradcomputer verwendet, um die Daten aufzuzeichnen, und idealerweise ein Pulsmesser, um die Herzfrequenz mit der Leistung zu korrelieren. Ein Kadenzsensor ist ebenfalls nützlich, da die Trittfrequenz den Glykogenverbrauch bei einer bestimmten Leistung beeinflusst.
Der Test kann auf der Straße durchgeführt werden. Dabei sollte ein relativ flaches Gebiet ohne Kreuzungen und, aus Sicherheitsgründen, mit minimalem Verkehr gewählt werden. Für mehr Wiederholbarkeit und im Winter empfiehlt sich jedoch ein Heimtrainer, der die volle Konzentration auf den Test erlaubt.
Einige Heimtrainer verfügen über integrierte Leistungsmesser. Ohne in die Diskussion über die Zuverlässigkeit von Leistungsmessern einzusteigen: Wichtig ist, denselben Protokollablauf mit derselben Ausrüstung zu nutzen, um das FTP zu vergleichen und Fortschritte zu erkennen. Bei Abonnements wie Zwift oder The Sufferfest gibt es bereits FTP-Testprotokolle, bei denen die verschiedenen Zonen automatisch berechnet werden. Für die manuelle Durchführung werden hier die Trainingszonen basierend auf dem FTP-Prozentsatz aufgeführt:
Die FTP-Werte erlauben die Festlegung von sieben Kraftzonen, auch „Coggan-Zonen“ genannt:
- Zone 1: Aktive Erholung (< 55% FTP)
- Zone 2: Ausdauer (56 bis 75% FTP)
- Zone 3: Tempo (76 bis 90% FTP)
- Zone 4: Laktatschwelle (91 bis 105% FTP)
- Zone 5: VO2max (106 bis 120% FTP)
- Zone 6: Anaerobe Kapazität (121 bis 150% FTP)
- Zone 7: Neuromuskuläre Kraft (> 150% FTP)
Diese Zonen ermöglichen spezifisches Training basierend auf der jeweiligen Kraftanforderung und helfen, die Anstrengung bei sportlichen Ereignissen zu überwachen.
FTP-Test im Schwimmen
Wie bereits erwähnt, kann ein FTP-Test auch im Schwimmen durchgeführt werden. Dafür eignet sich ein 1000-m-Schwimmen auf Zeit während einer relativ ruhigen Phase im Schwimmbad. Anschließend wird die Gesamtzeit durch zehn geteilt, um den sogenannten T-Time oder Schwellenwert zu berechnen. Diese Zeit entspricht etwa Zone 4 im Training.
FTP-Test im Laufen
Für das Laufen bietet sich ein Test auf einer flachen 10–15 km langen Strecke an. Wer 10 km in 45 Minuten oder mehr zurücklegt, wählt am besten die 10-km-Distanz; schnellere Läufer*innen können den 15-km-Test nutzen.
Zur Vergleichbarkeit sollte der Test mit derselben Ausrüstung wie Schuhen und Kleidung durchgeführt werden. Ein Pulsmesser ist nützlich, um die Herzfrequenz mit der Laufgeschwindigkeit zu korrelieren. Neuerdings werden auch Leistungsmesser im Laufen eingesetzt (z. B. Stryd). Ein FTP-Test sollte etwa alle 4–6 Wochen durchgeführt werden, um den FTP-Wert zu aktualisieren.
Sind die Intensitätszonen einmal festgelegt, geht es nur noch darum, gezielt zu trainieren, um diese Werte zu verbessern. Auch das Training in wettkampfspezifischen Geschwindigkeiten ist wichtig, um die eigenen Leistungsziele zu erreichen. Beispielsweise wird das Training bei 15 km/h für eine angestrebte Marathonzeit von 3:15 Stunden wahrscheinlich scheitern, da physiologische Anpassungen direkt mit den genutzten Trainingszonen zusammenhängen.