Radfahren ist wohl eine der am meisten unterschätzten Sportarten. Eine ökonomische Tretbewegung ist jedoch nicht selbstverständlich, sondern das Resultat jahrelangen Trainings. Das sollten sich auch Hobbyfahrer*innen bewusst machen. Die besten Tipps.
Können Sie Radfahren? Ja, werden Sie leicht erstaunt, aber bestimmt sagen. Doch stimmt das auch wirklich? Können Sie sprinten, freihändig eine leichte Steigung hinauffahren, einbeinig einen runden Tritt pedalen oder eine Frequenz von 130 Umdrehungen eine Minute lang halten, ohne wie ein Jojo auf dem Sattel auf und ab zu hüpfen?
Die Sache ist nämlich die: Radfahren kann tatsächlich (fast) jeder, aber vielseitig Radfahren muss man lernen wie jede andere Sportart auch. Wirklich schnell Radfahren braucht Geduld und Zeit. Und ein vielseitiges Training. Gut zehn Jahre dauert es, bis Rennradfahrer*innen ihren Leistungshöhepunkt erreichen können. Nicht umsonst sind die meisten erfolgreichen Profis im Radsport nicht 19 oder 20 Jahre alt, sondern alle so um die 30. Aber auch Hobbyfahrer*innen profitieren davon, wenn sie nicht immer im gleichen Tramp ihre Trainingsrunde absolvieren, sondern ab und zu ganz bewusst technische Übungen oder Tempovariationen in ihre Ausfahrten einbauen. Das kann durchaus spielerisch geschehen, ohne fest definierten Plan. Es bringt schon viel, wenn man einen rund 20- bis 30-minütigen Abschnitt des Trainings anders gestaltet als gewohnt. 10 Tipps, wie Sie zum besseren Radfahrer werden.
1 – Grundlagentraining
Auch im Radsport ist ein solides Fundament die Basis, auf der sich alles andere aufbauen lässt. Gerade deshalb ist es entscheidend, in der Saisonvorbereitung ganz bewusst tiefintensive und dafür etwas längere Trainings (60–120 Minuten) zu absolvieren, bei denen der Fettstoffwechsel trainiert wird. Grundlagentraining bedeutet: Der Puls übersteigt in einem solchen Training ein gewisses Niveau nie. Ideal sind rund 60–70% des Maximalpulses. Wenn Sie es maximal auf 180 Schläge pro Minute bringen, sollten Sie im Grundlagenmodus also nicht höher als mit Puls 126 unterwegs sein. Konsequent tiefintensives Training ist auch für ambitionierte Fahrer*innen der Schlüssel zum Erfolg. Denn je besser der Fettstoffwechsel ausgebildet ist, desto weniger schnell werden die Glykogenreserven aufgebraucht, wenns intensiver wird. Wichtig: Bleiben Sie bei solchen Trainings im definierten Pulsbereich, auch wenn Sie dauernd überholt werden. Trainieren Sie Grundlagentrainings daher möglichst alleine, damit Ihnen kein anderes Tempo aufgezwungen wird.
2 – Hohe Trittfrequenz
Schaffen Sie es, mit 130 Pedalumdrehungen zu treten, ohne dass Sie auf dem Sattel auf- und abhoppeln? Hohe Trittfrequenzen verbessern die intramuskuläre Koordination und müssen geübt werden. Die alte Radfahrerschule sah im Wintertraining von Jugendlichen die Fahrt mit dem Starrlauf vor. Denn ohne Freilauf muss man immer mitkurbeln und hat nur einen Gang zur Verfügung – ein hervorragendes Souplesse-Training, das allerdings einiges an Übung benötigt. In Radclubs üblich sind auch heute noch spezifische Trainings, in denen ausschliesslich mit einer hohen Trittfrequenz (und entsprechend kleinen Gängen) gefahren wird. Oder Trainings mit kurzen Abschnitten in maximal hohen Frequenzen (so schnell es geht). Bahn-Olympiamedaillengewinner Franco Marvulli war auf der Bahn meist mit rund 125 Umdrehungen unterwegs, auf der Rolle schaffte er gar Kadenzen weit über 200/min. Der Rekord des Schweizers Manfred Nüscheler liegt gar bei 275 Umdrehungen pro Minute (auf dem Ergometer). Wichtig: Gewöhnen Sie sich kontinuierlich an hohe Kadenzen und achten Sie trotz (oder gerade wegen) der hohen Frequenz auf eine aktive Zugphase beim Hochziehen des Pedals.
3 – Tiefe Trittfrequenz
Nach ein paar Wochen mit vorwiegend Grundlagentrainings haben auch ganz tiefe «Drehzahlen» ihren Reiz, denn diese fördern die Kraftausdauer. Versuchen Sie ab und zu während eines Trainings längere, gemässigte Steigungen mit grossen Gängen und einer Frequenz um die 60 bis maximal 70 Umdrehungen pro Minute konstant hochzufahren. Bleiben Sie dabei konsequent im Sattel. Mit längeren Bergauffahrten im Sattel trainieren Sie den runden Tritt mit ganzheitlichem Krafteinsatz, ohne im Wiegetritt mit den Armen nachzuhelfen. Durch die tiefe Kadenz können Sie sich auf einen ökonomischen Bewegungsablauf konzentrieren
4 – Trittfrequenz variieren
Versuchen Sie auch mit der Trittfrequenz zu spielen, mal bewusst ganz hohe Kadenzen zu fahren, dann aber auch wieder ganz tiefe. Oder fahren Sie Frequenzpyramiden und steigern Sie im Minutentakt Ihre Trittfrequenz um 10 Umdrehungen pro Minute. Eine andere Übung ist, eine selbst gewählte Trittfrequenz über einen längeren Abschnitt zu halten. Dazu müssen Sie entweder häufig – und mit Voraussicht – die Gänge wechseln oder je nach Gelände den Kraftaufwand erhöhen. Doch welche Trittfrequenz ist eigentlich ideal? Die «perfekte» Trittfrequenz ist von verschiedenen Faktoren abhängig und nicht fix mit einer Zahl definierbar. Ein Triathlet fährt eine andere (tiefere) Trittfrequenz als ein Bahnfahrer. Grundsätzlich aber gilt: Hohe Frequenzen (um die 95–110 Umdrehungen/Minute) sind ökonomischer als tiefe Frequenzen mit grossen Gängen. Fabian Cancellara beispielsweise ist selbst am Berg mit einer Trittfrequenz um die 90–95 unterwegs. Bei hohen Kadenzen um 100–110 ist das Kraft-Weg-Verhältnis am besten. Wer schneller kurbelt, belastet Muskulatur und Gelenke weniger. Übrigens: Bergab sollte die Tretbewegung nie ganz eingestellt werden, sonst macht zu Beginn der kommenden Steigung die Muskulatur «zu» und die Beine werden «bleischwer».
5 – Koordination
«Erfühlen» Sie Ihre Tretbewegung. Stellen Sie sich eine Pedalumdrehung als Kreis vor und versuchen Sie, mit den Füssen das Pedal im grösstmöglichen Kreis zu drehen. Immer mit konstantem Zug/Druck – ohne Lücke. Schieben, drücken, ziehen, heben. Konzentrieren Sie sich auf die vier Phasen während eines Tretzyklus (Schub-, Druck-, Zug- und Hubphase, vgl. Grafik) oder auch mal spezifisch nur auf eine einzelne.
Was passiert vorne, wenn Sie sich hinten aufs Hochziehen konzentrieren? Eine weitere Koordinationsübung ist, auf einer längeren, unbefahrenen, geraden und leicht aufwärts führenden Strecke freihändig zu fahren (Hände zum Beispiel hinter dem Rücken verschränkt oder in die Höhe gestreckt). Dadurch sind die Beine koordinativ gefordert und werden automatisch dazu gezwungen, einen runden und gleichmässigen Tritt auszuführen. Fahren in aufrechter Position beansprucht mehr die hintere Beinmuskulatur, Freihändig fahren mit gebücktem und nach vorne geneigtem Oberkörper mehr die vordere Oberschenkelmuskulatur. Auch einbeiniges Fahren fördert einen durchgehend aktiven Tretzyklus. Je grösser die Bewegungsvielfalt des Fahrers ist und je mehr motorische Einheiten beim Tretzyklus im Spiel sind, desto länger kann die Ermüdung hinausgeschoben werden.
6 – Sprints
Wer durchgehend im Dauermodus unterwegs ist, verliert seine Schnelligkeit. Variieren Sie das Tempo und setzen Sie sich im Training spielerisch optische Vorgaben (z. B. Baum, Tafel, Haus usw.), bis zu denen Sie möglichst schnell beschleunigen und das Tempo maximal halten. Die Länge der Sprints beträgt dabei nur wenige hundert Meter oder rund 20–30 Sekunden. Sprinten fördert die Schnelligkeit und die Fähigkeit, seine Kraft maximal umzusetzen.
7 – Hohe Intensitäten
Zwischenzeitlich hohe Intensitäten fördern die Fähigkeit, eine Sauerstoffschuld besser ertragen zu können. Ideal dafür sind Intervalltrainings in diversen Variationen. Ein Beispiel: 4 Min. maximale Belastung – 3 Min. aktive Erholung; 4 Wiederholungen. Bei solchen Intervallen darf die Pulsfrequenz zwischenzeitlich auf 90–95% der maximalen Herzfrequenz ansteigen, liegt also über der anaeroben Schwelle. Mit der Intervalldauer, den Pausenlängen oder auch den Pulswerten lässt sich die Belastung variieren. Suchen Sie auch mal eine stärkere Gruppe aus, sodass Sie gezwungen werden, aus Ihrem Komfortbereich gehen zu müssen. Aber denken Sie daran, dass intensive Einheiten eine längere Erholung benötigen und erst im Wechsel mit Grundlagentrainings den gewünschten Erfolg bringen (siehe Punkt 1 Grundlagentraining).
8 – Wiegetritt
So, wie Sie ab und zu eine Steigung komplett sitzend bewältigen sollten, so können Sie auch einmal einen längere, etwas steilere Steigung ausschliesslich stehend im Wiegetritt hochfahren. Dabei wird die Schulter- und Brustmuskulatur zusätzlich belastet und die Beinmuskulatur anders beansprucht als beim Fahren im Sitzen. Auch sitzend fahren und Wiegetritt im Wechselspiel bringt Abwechslung ins Bergtraining.
9 – Wattkontrolle
Viele Fahrer*innen kontrollieren ihre Belastung nicht über den Puls, sondern über die Watt-Leistung. Vor allem Triathlet*innen vertrauen bei langen Distanzen der Wattangabe mindestens so wie ihrem Gefühl, um die richtige Intensität zu fahren und nicht zu überzocken. Wie der Puls kann auch die Watt-Vorgabe als Richtzahl für unterschiedliche Intensitäten dienen. Einziger Vorbehalt: Zur Ermittlung der Leistung auf dem Rad sind relativ teure Watt-Messgeräte erforderlich.
10 – Rund schalten
Wer in einer Steigung drei Gänge auf einmal runterschalten muss, hat entweder einen Hungerast – oder falsch geschaltet. Fahren Sie mal ein Training bewusst mit Weitsicht und schalten Sie immer frühzeitig, sodass Sie sich in jeder Situation im perfekten Gang befinden. Wählen Sie dafür eine wechselhafte Strecke mit vielen Kurven und einem ständigen Auf und Ab. Versuchen Sie immer im Schwung zu bleiben und das Tempo aus den Kurven im passenden Gang mitzunehmen. Das spart Kraft, und das Tempo bleibt hoch. Auch Schalten im Wiegetritt will gelernt sein, denn es gilt, für einen sanften Schaltvorgang den richtigen Moment zu finden.
Text von FITforLIFE– dieser Blogbeitrag wurde uns vom Schweizer Magazin FIT for LIFE zur Verfügung gestellt. Willst du regelmässig informative Wissensartikel im Bereich Lauf- und Ausdauersport lesen, dann klicke hier.