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FIT for LIFE Schwimmen Wissensbasis

Open Water Trainingstipps

Nicht immer ist ein guter Poolschwimmer auch schnell im offenen Gewässer. Worauf muss man achten beim Schwimmen in der freien Wildbahn?

Daniela hat fleissig trainiert. Sie ist sogar das eine oder andere Mal mit Neoprenanzug im Hallenbad geschwommen, um sich an die besondere Wasserlage zu gewöhnen. Sie fühlt sich gut, ist bestens vorbereitet. Einzig im See war sie kaum, zu kühl waren lange Zeit die Wassertemperaturen. Jetzt steht sie da im knöcheltiefen Wasser mit aufgesetzter Brille. Noch wenige Sekunden bis zum Start, 1,5 Kilometer liegen vor ihr. Es windet, die Wellen kräuseln im Gegenlicht. Dann gehts los: Mit dem Startschuss verwandelt sich die Ufernähe in Sekundenschnelle in ein schäumendes Wellenbad, Daniela mittendrin. Die Brille verrutscht, sie schluckt Wasser, Rempeleien und Hektik bringen sie in Atemnot und Panik. Irgendwann wird sie von der Masse an den Rand gespuckt, versucht sich zu beruhigen, rückt die Brille zurecht und schwimmt konsterniert im Bruststil dem Feld langsam hinterher.

Die eben beschriebene Szene ist kein unrealistisches Schreckensszenario, sondern eine durchaus mögliche Begebenheit an einem Triathlon, wenn die schön einstudierte Theorie von der Praxis über den Haufen geworfen wird. Ein Triathlonstart in der Masse, in einer Gruppe nervöser Sportler, ist nur bedingt planbar. Es kann fast alles passieren, wenn man es dem Zufall überlässt. Im freien Gewässer sind nicht immer die Besten am schnellsten, sondern die Klügsten und diejenigen mit viel Übung.

Folgende Punkte können das Schwimmen im See erschweren:

  • Unruhige Wasseroberfläche: Schwimmen am frühen Morgen bei spiegelglatter Wasseroberfläche kann ein einmaliges Erlebnis bieten, doch häufig ist die Wasseroberfläche an einem Wettkampf unruhig und bei starken Winden können die Wellen und Strömungen zu unberechenbaren Situationen führen.
  • Orientierung über Wasser: Starker Wellengang erschwert nicht nur die Schwimmund Atemtechnik, sondern auch die Orientierung, weil man oft kaum über die Wellen sieht.
  • Unterwassersicht: In freien Gewässern ist die Sichtbarkeit unter Wasser stark eingeschränkt. Der Seegrund ist meist nicht sichtbar, keine Linie am Boden gibt einem die Richtung vor, man schwimmt im «leeren» Raum.
  • Treibgut/Konkurrenten: Seepflanzen (Flussschwimmen), Treibholz (nach Gewitter in Berggewässern) oder das Schwimmen im Pulk beeinträchtigen die Schwimmtechnik und vor allem das Empfinden (Unbehagen). Die erwähnten Faktoren sind weder im Hallenbad noch in der Theorie trainierbar. Der wichtigste Tipp für jeden potentiellen Tria-oder Gigathleten, der seine Schwimmstrecke im See oder Fluss absolvieren muss, ist also klar:

So häufig wie möglich das Schwimmen im offenen Gewässer üben!

  • Lieber kurz und häufig: In unseren Breitengraden ist dies allerdings nicht immer ein einfaches Unterfangen, denn viele Seen sind vor Juni temperaturmässig kaum beschwimmbar. Trotzdem: Lieber regelmässig so bald wie möglich zehn Minuten in den See oder Fluss springen und sich an die Bedingungen gewöhnen, als reine Trainingskilometer im Hallenbad abzuspulen. Um die Sicherheit und auch den Spass zu gewährleisten sollten Sie:
  • Regelmässig draussen schwimmen: Ein kühles Bad am Morgen wirkt Wunder. Es muss ja nicht immer eine lange Einheit sein. Vielmehr geht es darum, sich ans Schwimmen im See zu gewöhnen.
  • Immer zu zweit schwimmen: Sowohl Motivation wie auch Orientierung fallen dadurch wesentlich leichter. Ideal wäre natürlich das Schwimmen in der Gruppe, so kann man üben, im Windschatten zu schwimmen: Beim Schwimmen spielt der «Wasserschatten” eine nicht zu unterschätzende Rolle, beträgt doch die Energieersparnis gute 5%. Wer direkt an den Füssen des Vordermannes schwimmt, spart Kraft und zudem kann man sich – wenn die «Lokomotive» routiniert ist – einfach orientieren. Das «Hand-an-Fuss-Schwimmen» in der Gruppe kann gut in einem Schwimmclub trainiert werden.
  • Mit Bootsbegleitung schwimmen: Diese Luxusversion bietet die Möglichkeit, sich am Boot zu orientieren oder die Orientierung an entfernten Zielen zu üben (Bojen, Kirchenturm usw.). Zu zweit kann man sich gegenseitig abwechseln mit Schwimmen und Rudern.
  • In Ufernähe schwimmen: Parallel zum Ufer besteht keine Gefahr, von Motorbooten übersehen zu werden.
  • Badekappen tragen: Im Training weisse oder gelbe Bademütze zur besseren Sichtbarkeit tragen. Silikonmützen isolieren zudem vor Kälte. Denn vor allem über den Kopf geht viel Wärme verloren.
  • Beidseitig atmen: Das Atmen auf beide Seiten ist ein grosser Vorteil, wenn die Windverhältnisse wechseln und die Wellen ins Gesicht schlagen. Oder auch, wenn man sich an anderen Schwimmern orientieren will.
  • Sonnenschutz auftragen: Je nach Wetterverhältnissen Sonnenschutzmittel verwenden. Die Lippen nicht vergessen.
  • Auch bei Wellengang trainieren: Die Überwindung ist zwar ein bisschen grösser, der Gewinn aber unbezahlbar, denn diese Erfahrungen sollte man nicht erst im Wettkampf machen.
  • Natur geniessen: Schwimmen im freien Gewässer ist ein besonderes Erlebnis. Versuchen Sie die Schwerelosigkeit im Wasser zu geniessen.

Wenn vom Schwimmen im freien Gewässer im Triathlon die Rede ist, kommt automatisch der Neoprenanzug ins Spiel. Zwar sind Neos nur unter speziellen Bedingungen erlaubt, aber in der «Schweizer Realität» ist das Tragen zumindest bei längeren Wettkämpfen in den meisten Fällen möglich. Vor allem für schwächere Schwimmer ist der zusätzliche Auftrieb des Anzuges ein wahrer Segen. Die Wasserlage-vor allem die Position der Beine-wird durch den Neopren massiv verbessert. Man liegt wie ein U-Boot im Wasser und schwimmt praktisch «abwärts». Der Beinschlag spielt nur noch eine stabilisierende Rolle. Die Zeitersparnis beträgt schnell zwei bis drei Minuten pro Kilometer. Die Beine können für die kommende Belastung auf dem Velo geschont werden. Zudem schützt der Neopren vor Kälte.

Eng anliegender Neoprenanzug

Beim Neopren entscheidend sind neben der Wasserlage der Komfort und der Kälteschutz. Der Neo muss eng am Körper anliegen und sollte an Schultern und im Schritt keine Falten werfen. Gleichzeitig sollte er aber dennoch vollständige Bewegungsfreiheit gewährleisten. Gerade für Ungeübte ist zu Beginn das Schwimmen mit Neo mit einem Engegefühl verbunden (vor allem um den Hals). Auch deshalb heisst es, den Neo ausgiebig im Vorfeld zu testen. Mussten früher die Anzüge noch aus einem Stück gefertigt werden, können jetzt unterschiedliche Bahnen und Neoprendicken zusammen verarbeitet werden. Dadurch sind trotz weniger Material beste Auftriebs-und Wärmeisolationseigenschaften bei grösstem Komfort möglich. Ärmellose Neos werden daher nur noch selten gebraucht, da die neuen dehnbaren und flexiblen Materialien extrem komfortabel sind und gleichzeitig eine genügend grosse Schulterfreiheit bieten. Neuerdings wird wie im Schwimmsport auch bei Neos mit speziellen Oberflächenbeschichtungen und-strukturen versucht, den Widerstand und die Gleiteigenschaften zu optimieren, um noch schnellere Zeiten zu ermöglichen. Trotzdem (auch wenn die Verlockung gross ist): Gewöhnen Sie sich nicht zu stark an den Neo und trainieren Sie möglichst viel auch ohne Neopren. Nur so kann die Wasserlage durch spezifisches Techniktraining – und nicht durch die Neopren-Krücke – entscheidend verbessert werden.

Text von FIT for LIFE – dieser Blogbeitrag wurde uns vom Schweizer Magazin FIT for LIFE zur Verfügung gestellt. Willst du regelmässig informative Wissensartikel im Bereich Lauf- und Ausdauersport lesen, dann klicke hier.