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Warum sollte man mit niedriger Intensität trainieren?

Das Training mit niedriger Intensität, auch als Grundlagenausdauer bezeichnet, verdient besondere Beachtung. Es ist offensichtlich, dass für schnelle Wettkampfleistungen im Triathlon auch intensive Einheiten erforderlich sind, die mindestens in Wettkampftempo oder darüber absolviert werden. Doch es mag paradox erscheinen, in einem langsameren Tempo zu trainieren, um die Wettkampfleistung zu verbessern.

Dieser Artikel beleuchtet, wie diese weniger spektakulären Einheiten dennoch die Grundlage für eine langfristig nachhaltige Leistungssteigerung legen und das athletische Potenzial optimal ausschöpfen.

Erschienen in Trimax-Magazine – März 2020, verfasst von Jean-Baptiste Wiroth

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Definition von Training mit sehr niedriger Intensität

Training mit sehr niedriger Intensität bedeutet, dass die Belastung unterhalb der ersten ventilatorischen Schwelle (VT1) liegt, die in etwa dem ersten Laktatschwellenwert entspricht. Herzfrequenztechnisch bewegt sich diese Trainingszone bei den meisten Sportlerinnen und Sportlern zwischen 60–70 % der maximalen Herzfrequenz.

Aus aerober Leistungsperspektive entspricht dieses Training einer Intensität von 50–60 % der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO₂max) – also weit entfernt vom Leistungslimit!

Für diejenigen, die sich auf ihr Körpergefühl verlassen, zeichnet sich das Training mit sehr niedriger Intensität durch eine hohe Atemökonomie aus – Gespräche sind problemlos möglich, egal ob beim Laufen oder Radfahren. Muskulär betrachtet treten in den ersten ein bis zwei Stunden keine peripheren Ermüdungserscheinungen oder Schmerzen auf.

Warum sollte man langsam trainieren?

Das Training mit niedriger Intensität bietet zahlreiche Vorteile, insbesondere zu Beginn der Saison, wenn die Grundlage für dieTriathlon-Saison gelegt wird.

1. Schnellere Erholung

Ein wesentlicher Vorteil ist die geringe Belastung des Körpers. Diese Einheiten verursachen nur wenig Ermüdung, sodass man sie täglich durchführen oder sogar zwei Trainingseinheiten pro Tag absolvieren kann.

2. Verbesserung der Kapillarisierung

Auf vaskulärer Ebene fördert Training mit sehr niedriger Intensität die Bildung neuer Kapillaren (Angiogenese). Durch den erhöhten Blutfluss entstehen mehr feine Blutgefässe, die die Muskelfasern mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Gleichzeitig verbessert ein dichtes Kapillarnetz den Abtransport von Stoffwechselprodukten wie Laktat, was die muskuläre Erholung beschleunigt.

3. Verbesserung der Herzleistung

Langsames Training erhöht das Schlagvolumen (SV) – also die Menge an Blut, die das Herz mit jedem Schlag auswirft. Da das Herzzeitvolumen (HZV) das Produkt aus Herzfrequenz (HF) und Schlagvolumen ist (HZV = HF x SV), führt ein grösseres Schlagvolumen langfristig zu einer höheren maximalen Sauerstoffaufnahme (VO₂max).

4. Metabolische Anpassungen

Training mit niedriger Intensität steigert die Anzahl der Mitochondrien, die als kleine Kraftwerke in den Muskelzellen fungieren. Dadurch verbessert der Körper seine Fähigkeit, Fette als Energiequelle zu nutzen und seine Glykogenspeicher zu schonen – ein entscheidender Faktor für die Ausdauerleistung.

5. Geringeres Verletzungs- und Überlastungsrisiko

Da diese Einheiten eine geringe Ermüdung verursachen, bleibt das Risiko für Überlastung gering, solange die Trainingsdauer im normalen Rahmen bleibt:

  • 1–1,5 Stunden für Schwimmen oder Laufen
  • 1,5–3 Stunden für Radfahren

Durch regelmässiges Training mit niedriger Intensität kann man die Grundlagen für eine nachhaltige Leistungssteigerung legen, ohne das Verletzungsrisiko zu erhöhen.

Welche Trainingsformen?

Das Training zur Grundlagenausdauer kann auf verschiedene Weise umgesetzt werden:

  • Lange Trainingseinheiten sind das Herzstück der Grundlagenausdauer. Sie finden sowohl im Freiwasserschwimmen als auch beim Laufen statt, sind aber besonders beim Radfahren von Bedeutung, wo sie bis zu 5–6 Stunden dauern können.
  • Aufwärmphasen sollten immer mindestens 20–30 Minuten progressives Training in der Grundlagenausdauer beinhalten, bevor intensivere Belastungen folgen. Erst nach etwa 30 Minuten wird die Lipolyse (Fettverbrennung) aktiviert, sodass der Körper optimal auf höhere Belastungen vorbereitet ist.
  • Erholungsphasen und Cool-down nach intensiven Intervallen profitieren von 10–15 Minuten lockerer Bewegung im Grundlagenausdauertempo. Dies unterstützt den Abtransport von Stoffwechselprodukten und hilft, die Körpertemperatur wieder auf ein normales Niveau zu senken.
  • Techniktraining wird immer auf Basis der Grundlagenausdauer durchgeführt. Besonders beim Schwimmen, wo der Körper vom Wasser getragen wird, kann der Fokus leicht auf saubere Bewegungsabläufe gelegt werden.

Fazit

Das Training mit sehr niedriger Intensität ist ein essenzieller Bestandteil des Triathlon-Trainings, insbesondere für Langstreckenspezialistinnen und Hochleistungsathleten. Um jedoch das volle Potenzial auszuschöpfen, sollte es mit anderen Trainingsformen kombiniert werden – etwa Intervalltraining, Krafttraining, Dehnübungen oder Höhentraining. Nur so entsteht eine optimale Balance zwischen Ausdauer, Kraft und Erholung für eine nachhaltige Leistungssteigerung.

Was antwortet der Experte?

„Ich überlege, ab dem Frühjahr mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren (5 km pro Strecke). Zählt das als Teil meines Trainingsumfangs?“

Auch wenn das tägliche Pendeln mit dem Fahrrad oder zu Fuß nicht direkt als strukturiertes Training gilt, trägt es dennoch maßgeblich zur Grundlagenausdauer bei.

In diesem Fall würden 10 km pro Tag an Werktagen schnell eine beachtliche Distanz ergeben: rund 250 km pro Monat – ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur aeroben Ausdauer! Wird dieses Pendelverhalten das ganze Jahr über beibehalten (abzüglich Urlaubs- und Ausfalltage), kommen so etwa 2.500 km pro Jahr zusammen. Das ist eine erhebliche Belastung aus physiologischer Sicht und kann langfristig positive Effekte auf die Ausdauerleistung haben.

Referenzen

  • Olfert IM et al. Advances and challenges in skeletal muscle angiogenesis. Am J Physiol Heart Circ Physiol. 2016 Feb 1;310(3):H326-36.
  • Romijn, J. A., Coyle, E. F., Sidossis, L. S., Gastaldelli, A., Horowitz, J. F., Endert, E., et al. (1993). Regulation of endogenous fat and carbohydrate metabolism in relation to exercise intensity and duration. Am. J. Physiol. 265, E380–E391.