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Kampf dem Krampf – Was kann gegen Krämpfe getan werden?

Muskel-Krämpfe gehören zum Sport. Aber was kann man tun, um das Krampfrisiko zu minimieren? Und wie wird man einen Krampf wieder los?

Die meisten Ausdauersportler haben es wohl schon am eigenen Leib erfahren: Zum Ende einer langen schweren Belastung geraten Muskeln bisweilen außer Kontrolle und kontrahieren, ohne dass man das will. Das Spektrum an Krämpfen reicht von einem leichten Flattern der Muskulatur bis zu einer sehr schmerzhaften vollständigen Blockade eines Muskels. Krämpfe sind ein weit verbreitetes Phänomen.

Untersuchungen an 2600 Ausdauersportlern ergaben, dass zwei Drittel der Triathleten und Marathon-Läufer Krämpfe bekommen. Am häufigsten ist nach dieser Untersuchung die Wadenmuskulatur betroffen. Beim Radfahren krampfen aber oft auch die Haupt-Arbeitsmuskeln und das sind sowohl vordere als auch rückseitige Oberschenkelmuskulatur. Exotischer sind beim Radfahren Krämpfe in Füßen, Händen oder Armen, aber diese kommen auch vor.

Was führt zu Muskelkrämpfen?

Dazu gibt es eine Vielzahl von Theorien, die unter Sportwissenschaftlern und Medizinern kontrovers diskutiert werden. Die bekannteste These ist die vom Elektrolytmangel in Folge großen Wasserverlusts. Diese wird jedoch zunehmend von einer Ermüdungsthese verdrängt, die der Südafrikanische Professor Dr. Martin Schwellnus 1997 erstmals veröffentlichte. Im Zentrum der Ermüdungsthese steht eine Fehlfunktion von ermüdeten Nervenzellen, die die Muskulatur steuern. Eine in Amerika veröffentlichte Meta-Studie zu Krampfursachen sortiert Krämpfe daher in zwei Schubladen: Ermüdungskrämpfe und Hitzekrämpfe.

Saure Gurken, die Rettung!

Neuste Studien haben gezeigt, dass wenn es darum geht einen Krampf zu bekämpfen, man nicht den Muskel sondern den Nerv behandeln muss. Die Idee entstand aus der Theorie, dass Krämpfe auftreten wenn die Nerven destabilisiert sind. In anderen Worten, Krämpfe sind destabilisierte, gereizte Nerven, die sich zu Wort melden. Dies wiederum passiert, wenn die Motoneuronen im Rückenmark, exzessiv feuern.

Es kursierten Gerüchte, dass manche Athleten den Saft saurer Gurken oder eine Mischung aus Senf und warmem Wasser zu sich nahmen und damit diese Krämpfe bekämpften. Mit diesen Gerüchten im Hinterkopf, haben sich Wissenschaftler enger mit dem Thema auseinandergesetzt. Es fiel ihnen auf, dass beide Substanzen eine aktivierende Auswirkung auf die TRP-Kanäle im Mund hatten.

Die Stimulierung der Sinnesnerven im Mund, dem Ösophagus, und Magen rufen eine Reaktion des Nervensystems hervor und beruhigen die Motoneuronen in Rückenmark. Aber, was heisst das nun für unseren nächsten Wettkampf wenn wir Krämpfen entgehen wollen? Die Lösung scheint ganz einfach und gar nicht teuer! Wir stopfen uns ein, zwei Scheiben saure Gurken in das Trikot und wenn die Muskeln beginnen zu zucken, dann saugen wir kurz an einem Stück, das sollte reichen. Falls du interessiert bist, gibt es natürlich auch besser verpackte Lösungen von kommerziellen Anbietern.

Salz ist lebenswichtig

Woran erkennt man, welche Ursachen ein Krampf hat? Hitzekrämpfe befallen mehrere Muskeln gleichzeitig. Sie künden sich oft zaghaft an. Der Name ist etwas irreführend, weil nicht Hitze an sich sondern massives Schwitzen als Auslöser für diese Art von Krämpfen gilt.

Bist du ein „salziger» Schwitzer? Bilden sich sichtbare Salzränder an deiner Sportkleidung, nicht nur nach einem langen Wettkampf, sondern auch im Training? Dann solltest du in Phasen großer Schweißverluste die Salzzufuhr erhöhen. Kündigen sich Hitzekrämpfe an, hilft eine sofortige Zufuhr einer konzentrierten Salzlösung: 3 g Salz (etwa 3 Messerspitzen) einem halben Liter Kohlenhydratgetränk beimischen (Int. J. Sport Nutr. 6 1996).

Man kann übrigens auch zu viel trinken. Wer reines Wasser trinkt oder große Menge Getränke mit sehr geringer Mineralienkonzentration, verdünnt die Salzkonzentration im Körper. Diese muss aber innerhalb enger Grenzen konstant gehalten werden. Einige Marathonläufer sind sogar schon als Folge exzessiven Wasserkonsums gestorben.

Die Rolle von Magnesium

Neben dem gewöhnlichen Kochsalz, das das für den Körper lebenswichtige Natrium enthält, wird auch Magnesium eine Rolle bei der Vermeidung von Krämpfen zugewiesen. Von konzentrierter Magnesium-Zufuhr während des Wettkampfs rät 2PEAK-Ernährungs-Experte Benoit Nave jedoch ab: „Unter Belastung und insbesondere während des Wettkampfs belasten Magnesiumpräparate nur unnötig den Magen und sollten daher ganz vermieden werden.»

So sieht es auch Roman Gruber, diplomierter Vitalstoff-Therapeut und Berater zahlreicher Profi-Sportler. Gruber rät dazu die Elektrolytspeicher vor den Rennen analog zu den Kohlenhydratspeichern zu füllen, denn, so Gruber: „Viele Sportler vertragen Elektrolyt-Getränke nicht und vertrauen deshalb in langen Wettkämpfen lieber auf pures Wasser, wohl wissend, dass es so zu einem Mangel kommen kann.» Grubers Tipp zur Vorsorge: „Zwei Handvoll Nüsse pro Tag decken den Bedarf an dem wichtigen Magnesium.»

Im Rennen empfiehlt Gruber, der auch das Team Milram betreut, zwei Messerspitzen Salz pro Liter Getränk (2 g). Eine Alternative sind Salzkapseln, die mit Wasser runtergespült werden. Auch die Energiegel-Hersteller haben angefangen, ihren Produkten mehr Salz beizumischen. Achte auf die Natrium-Angaben auf der Verpackung.

Bisweilen werden Krämpfe auch mit Muskelschmerzen verwechselt, so die Erfahrung von Roman Gruber: „Besonders bei Frauen kommt es oft zu Eisenmangel und dann kann der Körper selbst nicht mehr genug L-Carnitin bilden.» In solchen Fällen empfiehlt der Experte die tägliche Zufuhr von 5 g L-Carnitin an Wettkampftagen und 2 g an Trainingstagen. Alle Arten von Nahrungsergänzung und Wettkampfnahrung generell müssen im Training erprobt werden! Jeder reagiert anders. Deshalb: keine Experimente im Wettkampf!

Müde Muskeln spielen verrückt

Die Elektrolytthese ist, obwohl sehr alt und oft untersucht, in vielen Fällen nicht stimmig. So krampfen zum Beispiel auch die Finger eines Musikers ohne dass dieser dazu viel Schweiß vergießen muss. Muskeln können darüber hinaus mit gezielten Bewegungen schnell und gezielt zum Krampf gebracht werden. Aber auch bei langen Ausdauerbelastungen mit großen Schweißverlusten gerät die Elektrolyt-These ins Wanken: In mehreren Untersuchungen an Radfahrern, Läufern und Triathleten in langen Wettkämpfen wurde festgestellt, dass es keinen Unterschied bezüglich Flüssigkeitsverlust oder Elektrolytkonzentration zwischen jenen Sportlern gab, die Krämpfe bekamen und solchen, die davon verschont blieben!

Die Ermüdungsthese von Schwellnus liefert andere, schlüssigere Erklärungen für die Krämpfe. Sie beruht auf der experimentellen Beobachtung, dass sich die Nervenaktivität bei Ermüdung verändert. Ein kleiner Exkurs in die Neurophysiologie erklärt, wie die Dinge zusammenhängen: Die Muskelaktivität wird durch zwei Sensoren gesteuert und kontrolliert, die in die Muskulatur eingebaut sind. Zum einen sind das die Muskelspindeln, von denen jeweils einige parallel zu den Muskelfasern in den Muskelfaserbündeln angeordnet sind, zum anderen die so genannten Golgi-Sehnenorgane, die am Übergang zwischen Muskel und Sehne sitzen und messen, mit welcher Kraft der Muskel an der Sehne zieht.

Die Nerven der Spindel aktivieren die eigentliche Arbeitsmuskulatur, spannen den Muskel also an. Die Golgi-Organe haben die Aufgabe, übermäßige Spannung zu vermeiden, sie senden bei Bedarf also Entspannungssignale, damit der Muskel nicht überlastet wird. Im ermüdeten Zustand kippt das Gleichgewicht der beiden Sensoren. Die Spindeln sind nun viel erregter und senden zu viele Signale aus, die Golgi-Organe zu wenige. Die Übererregung führt dann zum Krampf.

Aber nicht nur Ermüdung des Muskels stört die Balance aus Aktivierung und Entspannung des Muskels. Dieser Mechanismus verliert auch an Wirksamkeit, wenn der Muskel in deutlich verkürzter Stellung angespannt wird. Da die Sehnen dann schlaff sind, können die Golgi-Organe keine Anspannung erfassen und senden entsprechend auch keine Signale aus. Besonders anfällig hierfür sind Muskeln, die zwei Gelenke überspannen, da sie in eine insgesamt kürzere Arbeitslage gebracht werden können als eingelenkig arbeitende Muskeln.

Beispiele für Muskeln, die zwei Gelenke überspannen, sind die besonders krampffreudige Wadenmuskulatur (beugt Knie und streckt Knöchel) oder der hintere langköpfige Teil des Biceps Femoris, der an der markanten Sehne angreift, die die Kniekehle nach außen begrenzt (streckt Hüfte und beugt Knie). Spannt man den Biceps Femoris in stark verkürzter Position an (flach auf den Bauch legen, Knie beugen, Füße berühren den Po), ist ruckzuck ein sehr schöner Krampf da – auch ohne dass der Muskel zuvor ermüdet wurde. Die Überlistung der Golgi-Organe reicht, um einen Krampf zu provozieren.

Wie löst man einen Krampf?

Lösen lässt sich ein lokaler Krampf mechanisch, indem man den betroffenen Muskel dehnt. Durch das Dehnen werden die Golgi-Organe aktiviert wodurch der Muskel Entspannungssignale bekommt und locker lässt. Zum Stretchen der Muskeln muss man nicht mal unbedingt vom Rad absteigen. Allerdings ist richtiges, nämlich langsames Stretchen wichtig, denn auf eine ruckartige Dehnung reagiert die Muskelspindel und spannt den Muskel betroffenen Muskel reflexartig an. Sie kennen das vielleicht vom Reflex-Test beim Arzt. Ein Schlag mit dem Hämmerchen auf die Kniesehne lässt den Oberschenkel reflexartig kontrahieren und den Unterschenkel nach vorne schwingen.

Nachdem der Krampf gelöst ist, sollte zunächst mit verringerter Intensität weitergefahren werden. Spanne im Falle des Oberschenkels diesen zunächst nur zwischen 12 und zwei Uhr aktiv an und erweitere den Bereich dann langsam. Ist die Wade betroffen, dann arbeite weniger mit dem Fußgelenk und halte die Ferse tief.

Weitere Krampf-Auslöser

So mechanisch eindeutig die Thesen zum Krampf auch klingen – biologische Systeme sind sehr komplex. Entsprechend können die Ursachen für Krämpfe vielfältiger sein, als es die einfachen Theorien weismachen. Die Ernährung spielt dabei eine wichtige Rolle. Ernährungsexperte Benoit Nave sieht bei symmetrisch auftretenden Krämpfen auch Ursachen wie exzessiven Genuss von Kuhmilchprodukten. Nave erklärt: «Das belastet die Leber und das venöse Blutsystem und damit den Rücktransport des Bluts vom Muskel.» Bei einseitigen Krämpfen diagnostizierte Nave wiederholt blockierte Fuß- oder Hüftgelenke als Ursache und konnte diese durch osteopathische Behandlung beseitigen.

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die zum Krampf führen können. Ronald Andraczek, Rennfahrer aus Dresden, fand mit der Methode Versuch und Irrtum den Auslöser für seine Krämpfe, die er vor allem im Wettkampf erlebte: ein Gel mit Koffein-Zusatz war der Übeltäter. Nachdem er das gleiche Gel ohne Koffein-Zusatz nahm, waren die Krämpfe verschwunden. In der Literatur finden sich Hinweise darauf, dass das kein Einzelfall ist – allerdings auch kein Beweis für einen zwingenden Zusammenhang.

Kritisch ist auch ein Kohlenhydratmangel. Wenn die Glykogenspeicher der Muskelspeicher leer sind, steigt das Krampfrisiko. In einem Versuch unter Laborbedingungen, bei dem Probanden kohlenhydratreiche Elektrolyt-Getränke verabreicht wurden, ließ sich zumindest der Zeitpunkt, ab wann Krämpfe auftraten, deutlich nach hinten schieben. Hobbyfahrer die meinen, ohne Essen und Trinken sei ihr Training effizienter, müssen sich über Krampfattacken also nicht wundern.

Maßnahmen gegen Krämpfe

Die Maßnahme Nummer eins, um Krämpfen unter Belastung vorzubeugen, ist angemessenes Training. Überbelastungen führen mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann zu Krämpfen. Sowohl außergewöhnlich lange als auch außergewöhnlich harte oder ungewohnte Belastungen setzen dabei der Muskulatur zu. Der genaue Mechanismus der Ermüdung ist nicht bekannt, aber aus Beobachtung wissen wir, dass auch schon einige wenige ungewohnte Spitzenbelastungen den Keim für einen späteren Krampf legen können. Heißt: Wenn man Muskeln schon zu Beginn eine Marathons weit in den roten Bereich bringt (und dies nicht geübt hat) steigt die Wahrscheinlichkeit, später einen Krampf zu bekommen. Unter sehr harten Bedingungen, wie zum Beispiel im Zeitfahren, wo maximale Anstrengung und eine weniger gewohnte Position ungünstig zusammentreffen, können sich auch binnen kurzer Zeiträume – in einigen Fällen unter 20 Minuten – Krämpfe entwickeln.

Unser Rat: Trainiere spezifisch, Stretche nach dem Training, ernähre dich ausgewogen und ersetze Flüssigkeit und Salz bei hoher Belastung. Dann hast du viel getan, um Krämpfe zu vermeiden. Wenn du dennoch Krämpfe bekommst, ist das ein Zeichen dafür, dass du deine körperlichen Grenzen erfolgreich getestet hast.

Tipps zur Krampfvorsorge

+ Trainiere spezifisch für einen Wettkampf
+ dehne die Muskulatur nach dem Training
+ iss täglich zwei handvoll Nüsse

In Training und Wettkampf

+ kohlenhydratreiche Getränke mit einer Messerspitze Salz pro ¾ Liter

Wenn ein Krampf auftritt

+ betreffenden Muskel dehnen
+ bei Krämpfen in mehreren Muskeln Salz zuführen