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Runder Tritt: Schneller mit der richtigen Trettechnik

Besser treten lernen: Der Münchener Ingenieur und Biomechanik-Experte Wolfgang Petzke stellt so ziemlich alles in Frage, was je über den «Runden Tritt» publiziert wurde. Wir stellen hier seine Methode der Tretanalyse vor und zeigen, was Sie für Ihren Tritt daraus lernen können.

Flüssig im Kreis treten und darauf achten, dass die Kräfte, die auf die Kurbel wirken, stets Vortrieb erzeugen: So könnte man die Idee des viel beschworenen runden Tritts beim Radfahren zusammenfassen. Bei jeder Kurbelumdrehung rundherum mit Bein und Fuß gleichmäßig drücken, schieben, ziehen – so lautet bislang die Lehre vom richtigen Treten. Und die ist falsch, behauptet Wolfgang Petzke. Seine These: Es kommt nicht darauf an, möglichst gleichmäßig möglichst viel Kraft auf die Kurbel zu bringen, sondern die Bewegung der Beine biomechanisch und energetisch zu verbessern.

Petzke behauptet das aber nicht einfach so, er hat das Radfahrerbein und dessen Tretbewegung auch studiert wie kaum ein Zweiter. Den Maschinenbau-Ingenieur hat das interdisziplinäre Thema schon während des Studiums fasziniert. Inzwischen hat er zum einen eine Messtechnik entwickelt, mit der er nicht nur die Tretleistung erfassen kann, sondern auch die Größe und Richtung der aufs Pedal wirkenden Kräfte. Zum anderen hat er eine Software programmiert, die es ermöglicht, das komplexe Zusammenspiel von Gelenken, Muskeln und Hebeln im Bein des Radfahrers modellhaft und gleichzeitig realitätsnah darzustellen.

Beides zusammen wird unter dem Namen Caloped seit Jahren erfolgreich in der Medizin eingesetzt und hilft Patienten in der Rehabilitation, Bewegungen wieder neu zu erlernen und Muskeln zu koordinieren. Wolfgang Petzke bietet aber auch individuelle Messungen für Radsportler an, die ihren Tritt verbessern möchten oder unter chronischen Beschwerden leiden, die auf Fehlbelastungen zurückgehen.

Ziel: Muskeln miteinander statt gegeneinander arbeiten lassen

Der revolutionäre neue Ansatz von Caloped liegt darin, nicht länger die Kräfte an der Kurbel in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen; entscheidend, so Petzke, sei nicht die Frage, ob die Kräfte in die richtige Richtung weisen, der Fuß also gerade zieht, schiebt oder drückt. Statt dessen betrachtet Petzke das Bein (inklusive Hüft- und Fußgelenk) als System und untersucht, wie aus Muskelspannung Bewegung wird und letztlich Antriebsenergie. Clou seines Computerprogramms ist, dass sich mit den Daten des exakt vermessenen Beins und den am Messpedal ermittelten Kräften eine Arbeitsbilanz für jedes einzelne Gelenk (Hüfte, Knie, Sprunggelenk) errechnen lässt. Die Software stellt das als Leistung von Hüfte, Knie und Fuß dar.

So sieht Petzke, ob Muskeln miteinander oder gegeneinander arbeiten, ob einzelne Muskelgruppen einen Beitrag zum Vortrieb leisten oder diesem sogar entgegen wirken. Entscheidend ist es, den Einfluss, den das Bein allein schon aufgrund seiner Masse und Geschwindigkeit während der Tretbewegung auf das Pedal ausübt, aus der Berechnung zu eliminieren. Das dies ein Fortschritt im Vergleich zu anderen Analysemethoden ist, haben andere Experten auch schon erkannt. Thomas Jaitner, Junior-Professor für Bewegungs- und Trainingswissenschaften an der TU Kaiserslautern urteilt: «Das System funktioniert sehr gut. Der Fortschritt besteht darin, an die Ursache der Bewegung zu gehen.»

Die Vorstellung einer gleichmäßigen Trittkraft ist falsch

Die Folgen sind einschneidend für die Vorstellung vom runden Tritt: Der am Fuß gespürte Druck (Kraft) ist kein sicheres Indiz dafür, dass die Beinmuskulatur wirkungsvoll arbeitet, auch weil die unvermeidlichen Massenkräfte Druck auf den Fuß ausüben. Folglich muss eine andere Idee von der optimalen Tretbewegung entwickelt werden.

Petzke empfiehl, «Muskelspannungen und Bewegungen miteinander in Einklang zu bringen. Man sollte nicht versuchen, willentlich eine irgendwie gerichtetete Kraft auf die Kurbel auszuüben.» Der Biomechaniker erinnert sich an das Beispiel dreier Rennfahrer aus einem deutschen Nationalkader. Sie hatten sich, vom Trainer angewiesen, eine «Wischbewegung» nach hinten angewöhnt, kurz nach der waagerechten Kurbelstellung. «Dabei zog die rückwärtige Muskelgruppe im Oberschenkel gegen die noch nicht abgeschlossene Streckbewegung des Knies, was den Wirkungsgrad um einige Prozent verschlechterte.» Stattdessen, so Petzke, solle man immer die Bewegung des Beins im Blick behalten und dieser Bewegung aktiv folgen. «Die Energieübertragung aufs Pedal folgt aus dieser Bewegung zwangsläufig.»

Die Unterschiede der beiden Bewegungsmuster lassen sich mithilfe seiner Mess- und Computertechnik nachvollziehen. Ein Beispiel: Für 200 Watt durchschnittliche Kurbelleistung pro Bein müssten mit Petzkes favorisierter Technik der Kniestrecker in der Spitze 300 Watt und der Hüftstrecker 250 Watt leisten. Lautet die Aufgabe, die selbe Durchschnittsleistung mit möglichst gleichmäßig über die Kurbelumdrehung verteilter Kraft zu leisten, erforderte das von den genannten Muskeln Leistungsspitzen bis zu 350 Watt. Orientiert sich die Trettechnik an der Bewegung des Beins statt an der Kraft, werden also die Gelenke entlastet und der Wirkungsgrad verbessert.

Wer in dieser Beschreibung orthopädische Aspekte entdeckt, liegt richtig. Petzke erläutert: «Mit Caloped konnte ich Fehlbelastungen bei Radsportlern korrigieren, die beispielsweise aufgrund falscher Koordination Knieschmerzen hatten oder Leistungseinbußen durch unnötige Muskelspannungen.»

Stefan Famulla, Hobbysportler aus Dillingen, ist so ein Fall. Er hatte über Jahre hinweg Knieschmerzen beim Radfahren. Ärzte diagnostizierten einen Knorpelschaden, konnten aber nicht wirklich helfen. Nach einer Analyse mit dem Caloped-Systen hat er seinen Tritt umgestellt und sagt: «Seitdem fahre ich erstmals wieder schmerzfrei Rad. Ich kann nur jedem, der Knieschmerzen hat, empfehlen, sich mit dieser Methode untersuchen zu lassen.» Die Umstellung des Tritts fand Famulla einerseits nicht besonders schwierig, er muss sich aber andererseits fast ein Jahr nach der Analyse immer noch konzentrieren, um nicht ins alte Tretmuster zurückzufallen. Als positiven Nebeneffekt des gesünderen Bewegungsablaufs gibt Famulla zu Protokoll: «Ich spüre auch eine deutliche Leistungssteigerung.»

Der Bewegung des Körpers folgen

Wie man die von Petzke empfohlene Tretbewegung erlernen soll? Der Caloped-Entwickler rät: «Folgen Sie der Bewegung Ihres Körpers, ähnlich wie beim Laufen. Dabei kümmern Sie sich ja auch nicht darum, welche Kraft Sie auf den Boden ausüben. Wenn Muskelspannung und Gelenkbewegung koordiniert sind, wird auch keine Arbeit verschwendet.»

Als Beispiel für einen Athleten, der sich an der Bewegung orientiert, nennt Petzke ausgerechnet Lance Armstrong und gibt den Tipp: «Denken Sie beim Treten nicht an Kraft, sondern folgen Sie Ihrer Körperbewegung. Dann tendieren Sie zwangsläufig zu höheren Bewegungsgeschwindigkeiten, also auch einer höheren Trittfrequenz.» Die Fähigkeit, den Tritt bewusst zu steuern, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt, sagt Petzke: «Ich habe mal einen Radprofi untersucht, der konnte überhaupt nichts an seinem Tritt verändern, so sehr er sich auch bemühte. Anderen Fahrern gelingt es leicht, die Leistungen für die einzelnen Bewegungen zu beeinflussen.»

Falsches Tretmuster Fahrrad 1

Die Grafik zeigt ein Trittmuster, bei dem das Knie (rot) einen zu geringen Arbeitsanteil an der Gesamtleistung (grün) hat und die Bewegung sogar hemmt.

gutes Tretmuster Fahrrad 1

Die Grafik zeigt einen sehr guten Tritt. Knie (rot) und Hüfte (blau) bringen einen ähnlichen Leistungsanteil zur Gesamtleistung (grün). Im rückwärtigen Teil des Tretzyklus sind die Leistungen geringer, aber ebenfalls alle an der Bewegungsrichtung orientiert, also vortriebswirksam.

Anleitung zum runden Tritt

tritt_90Grad

Richtiges Strecken des Beins

Hüftstrecker und die Kniestreckergruppe verkürzen sich nun schnell und geben Energie ab. Es stellt sich automatisch eine resultierende Kraft an der Kurbel ein, die diese Energie 1:1 überträgt. Die Kurbel führt den Fuß auf die Kreisbahn und stützt dabei die Bewegung durch radial wirkende Kräfte ab. Diese verursachen jedoch hierbei keinen Energieverlust (neutrale Abstützungskräfte). Lassen Sie sich nicht durch die Bewegung der Kurbel nach hinten dazu verleiten auch nach hinten zu ziehen, bevor das Knie etwa in der 5 Uhr Stellung ganz gestreckt ist. Ein Zug durch die „falschen» Muskeln nach hinten am Knie-Gelenk, das sich noch weiter streckt und öffnet, bedeutet zuerst einen Energieverlust (im Bein), aber nicht automatisch einen Energiegewinn an der Kurbel. Die Kraftwirkung verläuft etwa wie im hellen grünen Pfeil angedeutet und ist vom Energietransport auf die Kurbel gleichwertig. Obwohl vom Betrag größer, sind die Energiekosten für die Muskulatur und die Gelenkbelastung so geringer!

tritt_210Grad

Richtiges Anheben des Beins

Zuerst verkürzt sich der Kniebeuger (M-Biceps Femoris, kurzer eingelenkiger), anschließend auch der Hüftbeuger (Iliacus/Psoas). Beide geben bei ihrer Verkürzung entsprechend ihrer frei-gewählten Spannung Energie ab. Wenn die Bewegung von Ober- und Unterschenkel gespürt wird, werden die Muskeln zum richtigen Zeitpunkt bzw der richtigen Gelenkstellung aktiviert. Wieder (immer!) stellt sich automatisch eine resultierende Kraft an der Kurbel ein, die diese Energie 1:1 überträgt. Lassen Sie sich nicht durch die Kraft ablenken. Spüren Sie stattdessen ihre eigene Körperbewegung. Dann klappt die Muskelaktivierung immer zum richtigen Bewegungszeitpunkt! Die gedachte Bewegungsrichtung zur Aktivierung der richtigen Muskeln geht in Richtung des hellgrünen Pfeils.

Fazit

Das bisherige Bild vom runden Tritt scheint überholt. Nicht die auf die Kurbel wirkende Kraft, sondern eine an der Bewegung des Beins orientierte Muskelaktivität ist der Leitfaden zu einem besseren, effizienteren Tritt. Weitere Infos zur Tretanalyse gibt es unter www.caloped.de.

 

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