Die Strassenlaufschuhe von heute sind schneller, komplexer und v.a. auch teurer denn je. Nike sorgte mit der Entwicklung des Karbonschuhs Vaporfly 4% im vergangenen Jahr für polarisierende Diskussionen. Fast alle grossen Laufschuh-Firmen wollten sofort nachziehen und einen vergleichbaren Schuh herstellen, wobei sich uns nun die Frage stellt, worin sich diese Schuhe unterscheiden? Wir haben die besten Schuhe, welche aktuell auf dem Markt sind, getestet um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.
Hintergrund
2017 sorgten die innovativen Marathon-Laufschuhe für einen riesigen Leistungssprung. Nike entwickelte den Vaporfly 4% und behauptete, mit diesem Schuh die Laufeffizienz um bis zu 4% zu steigern. Sobald dieser Schuh und seine beide Nachfolger, der Nike Zoom X Vaporfly Next% sowie der Nike Air Zoom Alphafly Next% auf dem Markt waren, häuften sich persönliche Bestleistungen und Weltrekorde. Viele der besten Leistungen aller Zeiten wurden in diesen Schuhen erzielt und plötzlich begann ein Umdenken, ob es sich beim Anspruch von Nike um mehr als nur gutes Marketing handelt.
Nike-Schuhe machten 25 der 36 prestigeträchtigsten Marathon-Podiumsplätze Jahr 2018 und 31 im Jahr 2019 aus. Der Hauptunterschied dieser Schuhe im Vergleich zu den traditionellen ist die Sohlendicke, eine große Menge Schaumstoff im Zwischensohlenmaterial sowie eine Karbonfaserplatte, die durch die Zwischensohle verläuft.
Dieser Innovationserfolg war der Startschuss fürs Wettrüsten zwischen den Laufschuhgiganten. Sobald die World Athletics, der Leichtathletik-Dachverband, die Richtlinien bezüglich Laufschuhe geklärt hatte, entwickelte fast jede Marke einen vergleichbaren Karbonfaserschuh.
Doch welchen Laufschuh sollst du nun überhaupt tragen und welches ist der schnellste? Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns drei der neuesten Schuhmodelle besorgt, den Nike Air Zoom Alphafly NEXT%, den Hoka One One Carbon X SPE und den Brooks Hyperion Elite. Alle drei wurden in der Leistungsdiagnostiklabor bei unserem Partner Medbase getestet.
Getestete Schuhe
Nike Air Zoom Alphafly Next%
Der neueste Straßenlaufschuh von Nike ist die aktuallisierte Version des Prototypen, mit dem der Trend zum Karbonfaserplattenschuh begann, dem Alphafly. Eliud Kipchoge trug die erste Version dieses Schuhs, als er den schnellsten Marathon aller Zeiten in 1:59:40 bei der INEOS 1:59 Challenge im Oktober 2019 lief.
Technische Daten
- Gewicht: 210 Gramm
- Sprengung (Höhenunterschied von der Ferse bis zum Vorfuss): 4mm (Vorfuss: 35mm, Ferse: 39mm)
- Zwischensohlenmaterial: Zoom x foam / Karbonfaserplatte / Airpods
- Obermaterial: Atomnit
Hoka One One Carbon X SPE
Hoka war die erste Marke nach Nike, welche einen Kohlenfaserplatte in ihre Schuhe einbauten. Der 50-Meilen-Weltrekord wurde in diesem Schuh (Modell Carbon X) vom amerikanischen Ultraläufer Jim Walmsley aufgestellt, zusammen mit vielen anderen beeindruckenden Zeiten. Der Hoka One One One Carbon X SPE ist die jüngste Version dieses Schuhs aus dem Jahr 2020.
Technische Daten
- Gewicht: 246 Gramm
- Sprengung: 5mm (Vorfuss: 30mm, Ferse: 35mm)
- Zwischensohlenmaterial: Karbonfaserplatte / obere Schicht aus weicherem PROFLY X-Schaum / festere untere Schicht aus Schaumstoff
- Obermaterial: Monomesh
Brooks Hyperion Elite
Ein weiterer Kandidat der ersten Carbonfaserplattenschuhe ist das Modell Hyperion Elite von Brooks. Dieser Schuh konnte einige Marathon-Podestplätze erobern, welche nicht vom Nike-Schuh besetzt waren, darunter einen Sieg beim Boston-Marathon 2018 durch Desiree Linden im ersten Prototyp.
Technische Daten
- Gewicht: 195.6 Gramm
- Sprengung: 8mm (Vorfuss: 25mm, Ferse: 33mm)
- Zwischensohlenmaterial: DNA zero / EVA / Karbonfaserplatte
Kontrollschuh / Trainingsschuh – Nike Pegasus 37
Diesen Schuh haben wir in die Testung mit einbezogen, damit wir einen Vergleichswert bekamen eines «Nicht-Wettkampfschuhs».
Technische Daten
- Gewicht 285 Gramm
- Sprengung: 10mm (Vorfuss: 18mm, Ferse: 28mm)
Testprotokoll
Der Test wurde im Medbase Sports Medical Center Zürich auf einem HP Cosmos Quasar Laufband mit einer Steigung von 1% durchgeführt, um das Laufen im Freien möglichst genau nachzuahmen. Die Sauerstoffaufnahme wurde mit einem Cortex Metalyzer 3B und die Herzfrequenz mit einem Herzfrequenzmessgerät von Polar gemessen. Die Testperson dieser Einzelfallstudie war der Autor selber – T-Roy Brown.
Für die Datenerhebung lief er in den 4 verschiedenen, oben erläuterten Schuhen mit jeweils drei verschiedenen Geschwindigkeiten (ungefähr in der Marathon-, der Halbmarathon- und der 10km-Pace):
- 10 min Warm up in 4:30 min/km
- 4×6 min in 3:20 min/km;
- Schuhwechsel zwischen Testungen ca. 1 min
- Reihenfolge der Schuhwahl: Pegasus, Hoka, Brooks, Alphafly
- 60 min Pause
- 10 min Warm up in 4:30 min/km
- 4×6 min in 3:10 min/km;
- Schuhwechsel zwischen Testungen ca. 1 min
- Reihenfolge der Schuhwahl: Alphafly, Brooks, Hoka, Pegasus
- 60 min Pause
- 10 min Warm up in 4:30 min/km
- 4×4 min in 3:00 min/km;
- Schuhwechsel zwischen Testungen ca. 1 min
- Reihenfolge der Schuhwahl: Hoka, Alphafly, Pegasus, Brooks
***Es ist wichtig zu erwähnen, dass dieser Test mit nur einer Testperson durchgeführt wurde und dass die Ergebnisse bei verschiedenen Läufer*innen variieren würde.
Resultate
Aus den Tests geht hervor, dass T-Roy im Alphfly Next% signifikant bessere Werte erzielte als in den anderen Schuhen.
Sauerstoffaufnahme
Die Sauerstoffaufnahme beim Laufen steht (in einem gewissen Bereich) im direktem Zusammenhang mit der aeroben Leistung beim Laufen. Während des Tests haben wir die Sauerstoffaufnahme während der gesamten Dauer gemessen. Für die Daten in den unterstehenden Diagrammen und Grafiken wurden nur die letzten 3:30 min für die 6-Minuten-Wiederholungen und die letzten 2 Minuten für die 4-Minuten-Wiederholungen verwendet. Grund dafür ist die verzögerte Reaktion des Körpers auf eine Belastung. Eine Messung am Ende des Intervalls ist somit genauer. Die Ergebnisse könnt ihr in der unterstehenden Grafik einsehen.
Aus der oberen Grafik ist ersichtlich, dass der Alphafly bei allen Geschwindigkeiten am wenigsten Sauerstoff benötigte im Vergleich zu seinen Konkurrenten. Diese Daten unterstützen mein Gefühl, das ich während dem Laufen hatte. Die prozentuale Abweichung hat sich bei den verschiedenen Geschwindigkeiten leicht verändert, aber der Alphafly war durchwegs besser. Diese Abweichungen könnten ein Produkt der verschiedenen Reihenfolge der Schuhmodelle sein oder auch auch ein Indiz dafür, dass die Effektivität der Schuhe je nach Geschwindigkeit variiert.
Was jedoch eindrücklich ist, ist die Tatsache, dass ich mit den Schuhen von Brooks, Hoka und dem Pegasus ähnlich viel Sauerstoff brauchte für eine 3:20-Minutenpace, wie mit dem Alphafly bei einer 3:00-Minutenpace (vgl. Grafik unten in hellgrün):
Diese Aufstellung zeigt stellt die grössten Unterschiede in der Sauerstoffaufnahme dar. Bei 3:20 min/km schneidet der Hoka am schlechtesten ab, jedoch ist er bei den schnelleren Durchläufen signifikant schneller als die Schuhe von Brooks und dem Pegasus.
Herzfrequenz
Während der Testdurchführung wurde die Herzfrequenz gemessen. Die Herzfrequenz wurde jedoch signifikant durch die Reihenfolge beeinflusst, in der die Schuhe getestet wurden. Zur Erinnerung: bei der 3:00-Minutenpace-Stufe war die Reihenfolge Hoka, Alphafly, Pegasus und Brooks. Bei der 3:10 Pace-Stufe Alphafly, Brooks, Hoka und Pegasus. und bei der 3:20 Pace-Stufe war die Reihenfolge Pegasus, Hoka, Brooks und Alphafly.
Der gewählte Schuh, welcher jeweils beim 1. Intervall getragen wurde, hatte jeweils immer die niedrigste Herzfrequenz, wobei die Herzfrequenz dann bei den Folgeschuhen stieg – mit Ausnahme des Alphafly’s bei der Pace von 3:20min/km. Voreingenommen von den klaren Sauerstoffaufnahmeergebnissen, kann man vielleicht leichte Vorteile für den Alphafly erkennen, diese sind jedoch nicht ausschliesslich mit dem geringeren Laufeffort zu erklären.
In der oberen Grafik ist ersichtlich (rechtes unteres Viertel), wie die Herzfrequenz über den Verlauf des Intervalls stetig zunimmt, während die Sauerstoffaufnahme nahezu gleich bleibt. Dies kann ein weiteres Indiz dafür sein, dass die Sauerstoffaufnahme als primäre Datenquelle zu analysieren ist.
Einsicht in die vollständigen Ergebnisse – verfasst von unserem Partnern bei Medbase – erhaltest du hier.
Limitationen unseres Tests
Trotz der eindrücklichen Resultate müssen wir euch über die beschränkte Aussagekraft unseres Experiments informieren. Der Fakt, dass wir die Schuhe nur mit einer Person getestet haben, führt dazu dass wir die hier geschilderten Beobachtungen nicht generalisieren können. Zudem können wir keine klare Aussage darüber machen, wie sich der Laufstil von Läufer*innen über die Zeit verändert und was das für eine Auswirkung auf die Effektivität der Schuhe hat. Dies können wir auch bei mir nicht machen, da die Belastungsphase kumuliert «nur» etwa eine Stunde dauerte. Die Liste der Limitationen ist natürlich nicht abgeschlossen. Es bleibt zusammenzufassen, dass dieses Experiment trotz einiger Einschränkungen aufzeigt, dass die technischen Fortschritte von Laufschuhen einen grösseren Einfluss auf die Leistung haben könnte, als bisher angenommen.
Zusammenfassung und Fazit
Testsieger – Nike Air Zoom Alphafly NEXT%
Wie schon eingangs erwähnt kommen diese Resultate mit einem grossen Manko daher. Die Resultate dieser Einzelfalltestung können nicht direkt auf jeden und jede Läufer*in angewendet werden, dafür hätten wir die Schuhe mit deutlich mehr Testpersonen testen müssen. Die oben besprochenen Ergebnisse sind jedoch stark signifikant und lassen wenig Zweifel aufkommen, dass der Ausgang des Experiments zufällig zustande kam.
Die Ergebnisse zeigten, dass dir Sauerstoffaufnahme mit dem Alphfly in meinem 10km-Tempo (3:00/km) mit den anderen Schuhen im Marathon-Tempo (3:20/km) während der Testdauer von (4-6 min/Stufe) vergleichbar war. Man kann dies nicht einfach auf das gesamte Rennen hochrechnen und sagen: «Ich werde in einem 10km-Rennen nun 3 Minuten 20 Sekunden schneller sein» oder «Ich werde beim Marathon 14 Minuten schneller sein». Da es jedoch einen klaren Zusammenhang von Sauerstoffaufnahme und Leistung gibt, kann man mit Sicherheit sagen, «dass ich im Alphafly schneller laufen kann als mit anderen Modellen».
Was bedeutet das für dich als running.COACH-Nutzer*in?
An dieser Stelle soll noch erwähnt sein, dass das Hauptziel von Schuhhersteller*innen u.a. schnelle Zeiten und Rekorde sind. Deshalb werden die meisten internen Tests auch mit männlichen Eliteläufern gemacht. Dies führt dazu, dass Design und Innovation spezifisch auf dessen Anatomie angepasst wurde. Ob sich der gewinnbringende Effekt auch bei Läufer*innen mit anderem Leistungsniveau zeigt, oder wie sich die Effektivität des Schuhs über längere Dauer entwickelt, bleibt vorerst noch nicht geklärt. Der Alphafly kommt zudem mit einem stolzen Preis daher und ist sogar der teuerste aller getesteten Schuhe. Ob dir diese Investition wert ist, musst du selber entscheiden. Wir bei running.COACH wollen dich bestens unterstützen auf deiner Lauf-Reise. Schnell laufen macht einfach Spass und wenn dich technische Finessen dabei noch unterstützen, warum nicht. Für mich persönlich lohnt es sich auf jeden Fall, da ich gesehen habe, dass ich in diesen Schuhen «energiesparender» laufen kann und somit indirekt schneller werde.