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Wie kann ich mit Lauftraining abnehmen?

Einige tun es aus ästhetischen Gründen, andere der Gesundheit wegen – abnehmen. Besonders im Frühling versuchen viele Leute, ein paar überflüssige Kilos zu verlieren. Kann Lauftraining dabei helfen? Ja, wenn du ein paar simple Regeln befolgst.

Viele Leute wünschen sich einen Gewichtsverlust. Es ist allgemein bekannt, dass man dafür mehr Kalorien verbrennen muss, als man zu sich nimmt. Dies kann entweder durch eine reduzierte Kalorieneinnahme oder erhöhte physische Aktivität erreicht werden. Es ist also alles eine Frage der Kalorienbilanz. Doch wie kann ich nun eine negative Kalorienbilanz durchs Lauftraining erreichen und was muss ich dabei beachten? Gommaar D’Hulst, Postdoc im Labor für Bewegung und Gesundheit am Departement für Gesundheitswissenschaften und Technologie, ETH Zürich, hat uns dabei geholfen, Anworten auf diese Frage zu finden.

1) Wie kann Lauftraining beim Abnehmen helfen?

Ein erhöhter Energieverbrauch in irgendeiner Form von physischer Aktivität kann dabei helfen, einen Gewichtsverlust zu erreichen. Dabei bildet auch Laufen keine Ausnahme.

2) Kann jeder/jede mit Lauftraining Gewicht verlieren oder haben gewisse Leute bessere Voraussetzungen dafür?

Jeder und jede kann mit Laufen Gewicht verlieren, solange mehr Energie verbraucht als zu sich genommen wird. Der Unterschied verschiedenen Personen wird sich höchstens darin zeigen, wie der Hunger nach (oder zwischen) Laufeinheiten reguliert wird. Personen, die nach physischer Aktivität besonders hungrig sind und das Energiedefizit entsprechend kompensieren, werden weniger leicht Gewicht verlieren (mehr dazu in Frage 6).

3) Kann man gleich essen wie bisher und trotzdem Gewicht verlieren, wenn man mit dem Laufen beginnt (oder mehr läuft als vorher)?

Man muss nicht unbedingt seine Ernährung umstellen, um durchs Lauftraining Gewicht zu verlieren. Es kommt aber immer darauf an, welches die Voraussetzungen sind. Wenn du bereits gesund isst und die Finger von verarbeiteten Produkten lässt, dann gibt es keinen Grund für eine Umstellung. Wenn du dich jedoch sehr ungesund ernährst, ist es sicher sinnvoll, eine/n Ernährungsberater/in aufzusuchen, der/die dir auf die richtige Spur hilft. Eine gesunde Ernährung macht es natürlicher einfacher, wenn du eine Gewichtsabnahme anstrebst.

4) Was ist deiner Meinung nach die ideale Ernährung, wenn man abnehmen, aber noch genügend Energie fürs Lauftraining haben will?

Konsequenz ist das wichtigste bei jeglicher Art von Diät. Wenn du eine Diät wählst, wähle eine, an die du dich halten kannst. Wie ich jedoch bereits erwähnt habe, sehe ich keinen Anlass für grosse Veränderungen, wenn deine Ernährung schon gesund ist. Mit gesund meine ich folgende Verteilung: 35-40% Kohlenhydrate, 25-30% Fett, 1.4g/kg Protein, wenig Zucker und variiertes Essen. Ich bin kein Fan des kompletten Verzichts auf einen bestimmten Makronährstoff (wie z.B. Kohlenhydrate). Auch die Forschungsresultate zur Effektivität dieser Diät sind nicht beweiskräftig.

5) Stimmt es, dass man schneller Gewicht verliert, wenn man ein paar Stunden vor und nach dem Lauftraining nichts isst?

Das ist sehr heikel, da diese Unterdrückung des Hungergefühls Heisshunger verursachen kann (und dadurch das Risiko für eine Gewichtszunahme erhöht). Ein anderer Weg ist das intermittierende Fasten. Hier nimmt man alles Essen für den Tag innerhalb einer Zeitspanne von 8-10 Stunden auf, z.B. zwischen 9.00 Uhr morgens und 19.00 Uhr abends. Die Forschung steht dieser Variante sehr positiv gegenüber (bei Tieren ist die Wirkung praktisch bewiesen). Es gibt Studien, die zeigen, dass durchs intermittierende Fasten bei der gleichen Menge an Kalorien Stoffwechselfaktoren wie z.B. die Sensitivität auf Insulin und bestimmte Werte der Leber positiv beeinflusst werden können.  Es ist also sicher ein interessantes Forschungsgebiet. Jedoch ist die Kombination von intermittierendem Fasten und Sport noch nicht vollständig aufgeklärt.

6) Gibt es eine Art Formel, anhand welcher sich berechnen lässt, wie viel man beim Rennen verbrennt?

Davon gibt es wahrscheinlich viele, aber hier ist eine davon:

MÄNNER: Verbrannte Kalorien = [(Alter x 0.2017) + (Gewicht x 0.09036) + (Herzfrequenz x 0.6309) — 55.0969] x Zeit / 4.184.

FRAUEN: Verbrannte Kalorien = [(Alter x 0.074) — (Gewicht x 0.05741) + (Herzfrequenz x 0.4472) — 20.4022] x Zeit / 4.184.

Persönlich finde ich diese Formeln aber überwiegend Quatsch, da es grosse Unterschiede zwischen Individuen gibt (grosse Standardabweichungen). Leute tendieren generell dazu, zu glauben, sie hätten mehr Kalorien verbraucht, als sie tatsächlich haben.  Das heisst, die Kompensation des Energieverlusts nach einem Lauf (oder einer anderen physischen Aktivität) ist oft zu hoch, womit die negative Kaloriebilanz wieder zunichte gemacht wird. Dieser Problematik MUSS man sich bewusst sein, wenn man abnehmen will.

7) Gewöhnt sich der Körper irgendwann an die Umstellung auf erhöhte Belastung und verbrennt weniger Kalorien, so wie es bei Diäten manchmal passiert?

Es gibt Daten, die zeigen, dass sich sehr aktive Personen auf zwei Arten unbewusst an erhöhte physische Aktivität anpassen: 1/ sie beginnen, sich weniger zu bewegen und reduzieren ihr übliches Gezappel und 2/ sie beginnen, Energie für körperliche Funktionen wie die Verdauung oder das Immunsystem effizienter zu nutzen, wobei sich der Grundumsatz (was man im Ruhezustand verbrennt) verringert. Eine weitere Anpassung des Körpers ist, dass die Muskeln effizienter Energie für eine gegebene Menge Sauerstoff produzieren können. Das heisst, nach einer Weile wird man bei einer bestimmten Geschwindigkeit weniger Kalorien verbrennen als zuvor (auch aufgrund der Tatsache, dass Gewicht verloren wird und man dadurch weniger Energie braucht, um seinen Körper zu bewegen). Wenn man über diese Stagnation hinaus abnehmen will, müssen Geschwindigkeit oder Länge des Trainings entsprechend erhöht (oder natürlich die Kalorieneinnahme reduziert) werden.

8) Welche Art von Lauftraining eignet sich am besten zum Abnehmen: schnell, langsam, kurz, lang?

Grundsätzlich spielt das keine grosse Rolle. Ein Gewichtsverlust ist fast ausschliesslich von der Energiebilanz abhängig. Einige mögen Intervalltraining besser, andere wählen lieber längere, lockere Läufe. Auch hier kommt es wiederum auf die Konsequenz bei der Ernährung an. Es gibt aber zu notieren, dass man beim Intervalltraining aufgrund der höheren Intensität genauso viele Kalorien verbrennt, wie bei längeren, lockeren Einheiten. Das Intervalltraining ist daher vielleicht die zeit-effizientere Methode um Gewicht zu verlieren (mehr dazu in Frage 9).

9) Welche Rolle spielt die Herzfrequenz in Bezug darauf, welche Stoffe verbrannt werden und wie schnell?

Die Herzfrequenz gibt Auskunft darüber, wann dein Körper in der aeroben Zone (tiefe HF) und wann er in der mehr aneroben Zone (hohe HF) ist. Sie ist also ein gutes Messinstrument für die Intensität. Jedoch ist es ein Mythos, dass man in der lockeren Zone bleiben soll, um abzunehmen. Dies lässt sich anhand folgender Grafik erklären:

   

Die Grafik zeigt den Energieverbrauch bei verschiedenen Intensitäten.  40% ist locker und 75% ist intensiv. Während Muskelglykogen (muscle glycogen) und Plasmaglukose (plasma glucose) Kohlenhydrat-basierte Energiequellen (Zucker aus Muskeln und Blut) sind, gehören Plasma FFA (Fettsäuren aus dem Blut) und Muskel und Plasma TG (Triglyceride innerhalb der Muskeln oder aus dem Blut, “other fat sources” in der Grafik) zu den Fett-basierten Energiequellen. Obwohl es stimmt, dass man bei lockerer Intensität RELATIV gesehen mehr Fett verbrennt (ca. 50% Kohlenhydrate und 50% Fett) als bei hoher Intensität (85% Kohlenhydrate und 15% Fett), so verbrennt man ABSOLUT gesehen trotzdem immer noch weniger oder gleich viel wie  bei höherer Intensität. Bei hoher Intensität ist der relative Anteil an Kohlenhydraten erhöht und, zusammen mit der Tatsache, dass mehr Energie verbrennt wird, wirst du bei schnelleren Einheiten damit 1/ mehr oder gleich viel Fett und 2/ deutlich mehr Kohlenhydrate verbrennen. Insgesamt hast du also mehr Kalorien verbrannt. Ein Nebeneffekt des intensiven Trainings ist, dass der Körper nach der harten Belastung die leeren Energiereserven wieder auffüllen und dazu auf die vorhandenen Energiereserven (da Kohlenhydratspeicher geleert, Fette) zurückgreifen muss. Deshalb erhöht sich die Fettverbrennung für einige Stunden nach der harten Einheit, wobei mehr verbrennt wird als normalerweise im Ruhezustand (der sogenannte Nachbrenneffekt). Dies wirkt sich wiederum positiv auf einen gewünschten Gewichtsverlust aus.

10) Ist Rennen zu bestimmten Tageszeiten besonders effizient zum Abnehmen?

Neue Forschung deutet an, dass Sport am Nachmittag oder Abend besser sei im Hinblick auf die Leistung, jedoch beachten diese Studien den Aspekt der Gewichtsabnahme nicht. Training nach einer längeren Zeitperiode ohne Nahrungsaufnahme (z.B. vor dem Frühstück) ist sehr populär, da der Körper dabei lernt, vermehrt auf Energiequellen in Form von Fetten zurückzugreifen und beim Stoffwechsel stärker mit der Fettverbrennung zu arbeiten. ABER: Lediglich weil der Fettstoffwechsel intensiviert wird, heisst es nicht, dass man schneller Fett verliert! Man nimmt auch hier nur ab, wenn die Energiebilanz negativ ist. Eigentlich ist es genau wie mit der ketogenen Diät (Limitierung der Kohlenhydrate): Wenn du eine ketogene Diät hältst, lernt dein Körper, mehr Fette zu verbrennen als bei einer kohlenhydratreicheren Diät, jedoch nimmst du dabei auch viel mehr Fett zu dir. Es läuft also sowohl bei Laufen auf nüchternen Magen als auch bei der ketogenen Diät wiederum auf die gleiche simple Rechnung hinaus: wenn du mehr Kalorien isst, also du verbrennst, wirst du zunehmen.

11) Sollte man das Lauftraining mit einer anderen Art von physischer Aktivität kombinieren, um einen grösseren Effekt zu erzielen?

Ich würde sagen, dass Krafttraining in den Trainingsplan aller Läufer/innen eingebaut werden sollte. Weniger im Hinblick auf einen Gewichtsverlust als auf seine verletzungsvorbeugende Wirkung. Stärkere Muskeln, in Kombination mit besserer Biomechanik, haben einen positiven Effekt auf die Langlebigkeit des Läuferdaseins. Abgesehen davon kann Krafttraining tatsächlich eine Gewichtsabnahme begünstigen, indem dass es die Körperzusammensetzung optimiert. Das heisst, mehr Muskeln und weniger Fett. Da man bei grösserer Muskelmasse mehr Kalorien verbrennt, wird dies auf Dauer den Stoffwechsel beschleunigen und den Gewichtsverlust erleichtern.

 

Gommaar D’Hulst studierte Sportwissenschaften und Biomedizinische Kinesiologie an der Universität Leuven (Belgien), wo er auch seinen Doktortitel erwarb. Aktuell arbeitet er als Post doc Forscher am hochmodernen Labor für Sport und Gesundheit an der ETH Zürich. Zu seinen Forschungsgebieten gehören Themen wie Muskelgesundheit und Nährstoffmessung. In seiner Freizeit ist Gommaar im CrossFit-Studio Kreis9 für sein tägliches Training zu finden. Folge Gommaar und seinem Kollegen Henning Langer auf ihrem Instagram-Account(@wod_science) für tägliche Infografiken zur Wissenschaft hinter Krafttraining, Ausdauer und CrossFit!