Laktat wird häufig als leistungsbegrenzender Faktor bezeichnet, was wissenschaftlich längst widerlegt ist. 2PEAK klärt über die Fakten rund um Laktat und Laktat-Diagnostiken auf.
Laktat hat bei vielen Ausdauersportler*innen einen negativen Ruf, da es mit steilen Anstiegen und brennenden Beinen assoziiert wird. „Saure“ Beine, die vor Laktat „überlaufen“, werden oft als Ursache für den Kraftverlust genannt. Doch die Wissenschaft hat bereits vor fast dreißig Jahren klargestellt, dass dies ein Irrglaube ist. Laktat ist nicht nur unschädlich, sondern sogar notwendig für den Körper. Dennoch hält sich dieses Missverständnis hartnäckig, und der schlechte Ruf von Laktat bleibt bis heute bestehen.
Woher der schlechte Ruf?
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts stellten Physiologen fest, dass körperliche Anstrengung zu einem Anstieg des Laktatspiegels im Blut führt. Daraus entwickelte sich die Theorie, dass Laktat die Muskelkraft begrenzt, was dazu führte, dass es lange Zeit als Abfallprodukt des anaeroben Stoffwechsels galt, das die Ausdauerleistung hemmt. Obwohl die Forschung längst weiter ist, hat sich dieses negative Image in der öffentlichen Wahrnehmung kaum verändert.
Was ist Laktat?
Laktat ist ein Stoffwechselzwischenprodukt, das in vielen Prozessen des Körpers eine wichtige Rolle spielt. Es entsteht, sobald eine Muskelzelle Kohlenhydrate verbrennt. Ein Großteil des Laktats wird direkt im Muskel wiederverwertet oder in andere Muskelzellen transportiert, wo es weiter verbrannt wird. Es dient zudem dem Herzen als wichtiger Energielieferant, das bis zu 60 % seiner Energie aus Laktat bezieht.
Laktat wird ständig gebildet und abgebaut, auch in Ruhe. Bei hohen Belastungen entsteht jedoch mehr Laktat, als der Körper abbauen kann, was zu einem Anstieg des Laktatspiegels im Blut führt. Neue Forschungen zeigen, dass Laktat die Leistung nicht limitiert. Tatsächlich deuten Experimente darauf hin, dass es die Muskelleistung sogar steigern kann.
Trainingskonzepte
Als Indikator für die Ausdauer-Leistungsfähigkeit wird Laktat seit nun bald 40 Jahren in diversen Testverfahren verwendet. All diesen Verfahren ist gemein, dass sie auf einem Schwellenkonzept basieren. Unter Schwelle wird dabei allgemein ein Leistungs- und trainingsrelevanter Umschlagpunkt verstanden, ab dem sich Gleichgewichtszustände verschieben.
Die «Schwelle»
Für die Mehrzahl der Diagnostiker ist die anaerobe Schwelle der Dreh- und Angelpunkt der Argumentation. Je höher diese liegt, umso besser ist die Ausdauerleistung – so die gängige Arbeitsthese. Die Schwelle ist zudem die Eingangsgröße zur Unterteilung der Trainingsintensitäten in Trainingsbereiche (bei 2PEAK: Feld ANS in den Trainingsbereichen). Die Trainingsbereiche werden dann in der Regel in Prozenten der Leistung an der Schwelle ausgedrückt oder in die entsprechenden Herzfrequenzwerte übersetzt.
Zur Schwelle gibt es eine verwirrende Vielzahl von Definitionen und Auswerte-Konzepten. Die wissenschaftlich korrekte Definition der anaeroben Schwelle ist die Leistung beim maximalen Blutlaktat-Fließgleichgewicht, wenn sich Laktabildung und –abbau gerade noch die Waage halten. Die Blutlaktatkonzentrationen beim maximalen Blutlaktat-Fließgleichgewicht ist nicht konstant, sie kann je nach Sportler und Muskelfaserzusammensetzung in einem weiten Bereich zwischen 2 und 7 mmol/l liegen.
Dieser Gleichgewichtszustand kann über mehrere dreißigminütige Tests, die mit gleichmäßiger Leistung absolviert werden, exakt bestimmt werden. Problem: Dieses Verfahren ist sehr zeitaufwändig. Fünf solcher Tests sind dazu meist notwendig. Daher suchte man nach Abkürzungen, um zur gleichen Aussage zu gelangen.
Konzept Stufentest
Daraus entstand das Konzept des Stufentests. Dieser stellt den Versuch dar, mit Stichproben die anaerobe Schwelle zu finden. Dazu wird auf einem Ergometer schrittweise die Belastung erhöht. Am Ende jeder Belastungsstufe wird ein Tropfen Blut aus dem Ohrläppchen entnommen und auf seine Laktatkonzentration analysiert. Aus einem festen Laktatwert („fixe Schwelle») oder einem überproportionalen Anstieg der Blutlaktatkonzentration („individuelle Schwelle») wird dann die anaerobe Schwelle festgelegt.
Ausgangspunkt war, dass man bei Läufern beobachtet hatte, dass sie ihre Dauerleistungsgrenze bei einem bestimmten Stufentestprotokoll auf dem Laufband bei einer festen Konzentration von 4 mmol/ml im Blut erreichtem. Aus dieser Beobachtung entstand das (später auch umstrittene) Modell der 4 mmol Schwelle. Da die so ermittelten Werte für Radfahrer oft nicht zutrafen (Abweichungen in beide Richtungen), wurden dann andere Auswertemethoden entwickelt, die auf verschiedene Weise die in den Messungen ermittelten Laktatkurven interpretierten.
An der Grundproblematik ändert das jedoch nichts. Laktat-Stufentests sind ungenau und nicht dazu geeignet, kleine Leistungsfortschritte zu detektieren. Schlimmer noch: Diagnostiken korrelieren nicht mit Rennergebnissen. Daher finden sich immer wieder Fälle, wo sich Sportler sichtlich verbessert haben (mehr Power, bessere Rennergebnisse), in einer Laktatdiagnostik aber bescheinigt bekommen, dass sie keine Fortschritte gemacht haben. Das sorgt für Frust und Verunsicherung.
Die ganze Methode ist daher fragwürdig und nur als erste Standortbestimmung geeignet. 2PEAK Profi-Coach Benoit Nave sagt: „Laktat interessiert mich schon lange nicht mehr. Es ist nicht das Laktat, das uns schnell oder langsam Laufen oder Radfahren lässt.»
Alternativen: Maximal-Leistungstests
Besser als Laktat-Tests sind regelmäßige Standortbestimmungen durch Maximal-Leistungstests über verschiedene Zeiträume vom Sprint bis zur Ausdauerleistung über 20 Minuten oder länger (MP Tests). Hiermit lassen sich Leistungsprofile erstellen, die auch eine Aussage darüber erlauben, welche Energiesysteme gut und welche schlecht arbeiten. Vorteil dieser Methode: sie ist nicht nur besonders aussagefähig sondern sogar kostenlos!
Eine diagnostische Methode, die weitere Erkenntnisse liefert, ist die Spiroergometrie. Diese Atemgasuntersuchung erlaubt einen tieferen Blick in den Körper und die zugrunde liegenden Mechanismen der Energiebereitstellung. So lässt sich zum Beispiel untersuchen, wie groß der Anteil der Fettverbrennung an der Energiebereitstellung bei verschiedenen Leistungsstufen ist.
Generelle Infos zur Spiroergometrie
Fazit
Laktat ist lebensnotwendig. Es ermöglicht uns, höhere Belastungen ein bisschen länger durchzuhalten. Laktat-Stufentest-Diagnostiken sind aber mit Vorsicht zu genießen. Sie sind okay für eine erste Einschätzung des Leistungspotentials eines Ausdauersportlers. Mit Laktatwerten alleine das Trainings fein zu steuern und Trainingsfortschritte zu überprüfen, ist jedoch unmöglich.